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Papillon

Papillon

Titel: Papillon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henri Charrière
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macht Zunge und Lippen unempfindlich.«
    »Bekommt man die hier zu kaufen?«
    »Ich weiß nicht. Wie stellst du es an, Clousiot, daß du von Zeit zu Zeit Geld zum Vorschein kommen läßt?«
    »Ich habe in Rio Hacha gewechselt, und seither habe ich immer Geld gehabt.«
    »Ich habe sechsunddreißig Goldstücke zu hundert Pesos beim Kommandanten, und jedes ist dreihundert Pesos wert », sage ich. »An einem der nächsten Tage werde ich dieses Problem zur Sprache bringen.«
    »Mach lieber ein Geschäft mit ihnen. Es sind hier alles arme Schlucker.«
    »Gute Idee.«
    Sonntags habe ich mit dem belgischen Konsul und dem belgischen Gefangenen gesprochen. Der Gefangene hat bei einer amerikanischen Bananenfirma eine Unterschlagung begangen. Der Konsul hat sich mir zur Verfügung gestellt. Er will uns beide beschützen. Er hat einen Schein ausgefüllt, auf dem ich erkläre, der Sohn belgischer Eltern in Brüssel zu sein. Ich habe ihm von den Nonnen und von den Perlen erzählt.
    Aber als Protestant kennt er weder Nonnen noch katholische Geistliche. Er kennt nur sehr flüchtig den Bischof. Wegen der Goldstücke rät er mir, nicht zu reklamieren, das sei zu riskant. Er muß vierundzwanzig Stunden vor unserer Abfahrt nach Baranquilla davon benachrichtigt werden. »Dann könnten Sie in meiner Gegenwart reklamieren«, sagt er, »denn Sie haben doch Zeugen, wenn ich richtig verstanden habe?«
    »Jawohl«
    »Augenblicklich aber reklamieren Sie nichts, er wäre imstande, Sie in diese grauenhaften Zellen zurückzuschicken oder Sie gar zu töten. Das ist ja ein richtiges kleines Vermögen, diese Goldstücke zu hundert Pesos. Sie sind nicht dreihundert Pesos wert, wie Sie glauben, sondern fünfhundertfünfzig pro Stück. Das ist eine große Summe. Man soll den Teufel nicht reizen. Etwas anderes ist es mit den Perlen.
    Lassen Sie mir Zeit, die Sache zu überlegen.«
    Ich frage den Schwarzen, ob er nicht mit mir ausbrechen will und was man seiner Ansicht nach dazu tun müsse. Seine helle Haut wird grau, als er mich von Flucht reden hört.
    »Ich flehe dich an, Mann, denke nicht einmal daran. Wenn es schiefgeht, erwartet dich der entsetzlichste langsame Tod. Einen Vorgeschmack davon hast du schon gehabt. Warte bis Baranquilla. Hier wäre es Selbstmord. Willst du sterben? Nein? Dann verhalte dich ruhig. In ganz Kolumbien existiert kein zweites Gefängnis wie dieses hier. Wozu also so etwas riskieren?«
    »Ja, aber hier, wo die Mauer nicht so besonders hoch ist, wäre es relativ leicht.«
    »Leicht oder nicht leicht, h
ombre,
auf mich kannst du nicht zählen. Weder um mitzukommen, noch um dir zu helfen. Nicht einmal um darüber zu reden!« Und außer sich verläßt er mich mit den Worten: »Du bist nicht normal, Franzose, du bist verrückt, hier in Santa Marta an so etwas zu denken!«
    Im Hof sehe ich mir jedesmal die gefangenen Kolumbier an, die irgend etwas Großes ausgefressen haben.
    Sie haben ohne Ausnahme Mörderphysiognomien, aber man fühlt, daß sie alle gebändigt sind. Die Angst vor den Todeszellen lahmt sie. Vor vier oder fünf Tagen haben wir einen baumlangen Kerl, einen Kopf größer als ich, aus den Todeszellen herauskommen sehen. Er wird »das Krokodil« genannt und steht im Ruf, außergewöhnlich gefährlich zu sein. Ich unterhalte mich mit ihm, und nach drei, vier Spaziergängen frage ich ihn: »Quieres fugarte conmigo? – Willst du mit mir fliehen?«
    Er sieht mich an, als ob ich vom Teufel besessen wäre.
    »Um noch einmal in die Todeszellen zu kommen, wenn es danebengeht?« sagt er. »Nein, danke. Lieber bringe ich meine eigene Mutter um.«
    Das war mein letzter Versuch. Nie werde ich hier wieder mit jemandem von Flucht reden.
    Am Nachmittag sehe ich den Kommandanten durchkommen. Er bleibt stehen und sieht mich an.
    »Wie geht’s?« fragt er.
    »Es geht, aber es würde mir besser gehen, wenn ich meine Goldstücke wiederhätte.«
    »Warum?«
    »Ich könnte mir einen Rechtsanwalt nehmen.«
    »Komm mit.« Und er führt mich in sein Büro.
    Wir sind allein. Er bietet mir eine Zigarre an – nicht schlecht, und gibt mir Feuer – noch besser.
    »Kannst du genug Spanisch, um zu verstehen und eine klare Antwort zu geben, wenn man langsam spricht?«
    »Ja.«
    »Du sagst, daß du deine sechsundzwanzig Goldstücke gern verkaufen würdest?«
    »Nein, meine sechsunddreißig Goldstücke.«
    »Ach ja – ja! Um dir von dem Geld einen Rechtsanwalt zu nehmen? Aber nur wir beide wissen, daß du die Goldstücke hast.«
    »Nein, auch

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