Papillon
gegenüber. Auf dem Tisch liegt ein großer grauer Filzhut nach Cowboyart. Eine dicke graublaue Perle tritt aus der Krawatte des Unbekannten hervor wie aus einem Schmuckkästchen. Der Mann ist mager und dürr, entbehrt aber nicht einer gewissen Eleganz. Der Kommandant sitzt beim Tisch.
»Guten Tag, Monsieur.«
»Sie sprechen Französisch?«
»Ja, Monsieur, ich bin Libanese von Geburt. Ich höre, daß Sie Goldstücke zu hundert Pesos haben, ich bin interessiert daran. Wollen Sie fünfhundert für jedes?«
»Nein, sechshundertfünfzig.«
»Da sind Sie aber schlecht unterrichtet, mein Herr. Der Maximalpreis ist fünfhundertfünfzig.«
»Ich gebe sie Ihnen für sechshundert, wenn Sie alle nehmen.«
»Nein, für fünfhundertfünfzig.«
Schließlich einigen wir uns bei fünfhundertachtzig. Die Sache ist perfekt.
»Und?« fragt der Kommandant.
»Alles perfekt«, sage ich. »Fünfhundertachtzig. Heute nachmittag.«
Der Mann geht. Der Kommandant steht auf.
»Sehr schön, und was bekomme ich?« fragt er.
»Zweihundert dreißig pro Goldstück. Sie sehen, ich gebe Ihnen um hundertdreißig mehr, als Sie verdienen wollten.«
»Und das zweite Geschäft?« fragt er lächelnd.
»Zuerst muß der Konsul hier sein, um das Geld in Empfang zu nehmen. Wenn er wieder weg ist, werde ich mit dir über das zweite reden.«
»Es soll also wirklich ein zweites geben?«
»Jetzt hast du mein Wort.«
Um zwei Uhr sind der Konsul und der Libanese da. Der Libanese gibt mir zwanzigtausendachthundertachtzig Pesos. Ich gebe davon zwölftausendsechshundert dem Konsul und achttausendzweihundertachtzig dem Kommandanten. Dann unterschreibe ich eine Quittung, daß der Kommandant mir meine sechsunddreißig Goldstücke zu hundert Pesos zurückgegeben hat. Der Kommandant und ich bleiben allein zurück. Ich erzähle ihm die Sache mit der Mutter Oberin.
»Wie viele Perlen sind es?
»Fünf- bis sechshundert.«
»Diese Oberin ist eine Diebin. Sie hätte sie dir zurückgeben, sie dir schicken lassen oder der Polizei übergeben müssen. Ich werde sie anzeigen.«
»Nein, du wirst zu ihr hingehen und ihr einen Brief von mir bringen, in französischer Sprache. Ehe du ihr etwas von dem Brief sagst, wirst du sie bitten, die Irländerin kommen zu lassen.«
»Ich verstehe: die Irländerin soll den französisch geschriebenen Brief lesen und ihn der Oberin übersetzen.
Sehr gut, ich gehe hin.«
»Warte auf den Brief!«
»Ach, richtig! – Jose, mach den Wagen mit zwei Polizisten bereit!« ruft er durch die halboffene Tür.
Ich setze mich an den Schreibtisch des Kommandanten und schreibe auf dem Papier mit der Aufschrift des Gefängnisses folgenden Brief: »An die Frau Oberin des Klosters, zu Händen der gütigen barmherzigen Schwester Irländerin.
Als Gott mich zu Ihnen führte, wo ich glaubte, Hilfe zu erhalten, auf die doch nach christlichem Gebot jeder Verfolgte Anspruch hat, habe ich Ihnen einen Beutel mit Perlen anvertraut, die mein Eigentum sind, als Pfand, damit Sie mir vertrauen, daß ich mich nicht heimlich aus Ihrem Haus, das unter dem Schutz Gottes steht, entfernen werde. Eine niedrige Seele glaubte ihre Pflicht zu tun, indem sie mich bei der Polizei anzeigte, die mich denn auch sehr bald bei Ihnen verhaftete. Ich hoffe, daß dieses verwerfliche Geschöpf nicht eines der Kinder des Herrn in Ihrem Hause ist. Ich kann Ihnen nicht sagen, daß ich ihm oder ihr verzeihe, das wäre gelogen. Im Gegenteil, ich bitte inständig, daß Gott oder einer seiner Heiligen den oder die Schuldige für diese ungeheure Sünde unbarmherzig bestrafe. Ich bitte Sie, Frau Oberin, dem Kommandanten Cesario den Beutel mit den Perlen, den ich Ihnen anvert raut habe, zu übergeben. Er wird ihn mir gewissenhaft zurückbringen, ich bin dessen sicher. Dieser Brief möge Ihnen als Quittung dienen.
Hochachtungsvoll und so weiter.«
Das Kloster liegt acht Kilometer von Santa Marta entfernt, der Wagen kommt eineinhalb Stunden später zurück. Der Kommandant läßt mich holen.
»Da sind sie. Zähl nach, ob welche fehlen.«
Ich zähle. Nicht, um zu wissen, ob Perlen fehlen, denn ich weiß gar nicht, wie viele es sind, sondern um festzustellen, wie viele sich jetzt in den Händen dieses Rohlings befinden. Es sind fünfhundertundzweiundsiebzig.
»In Ordnung?«
»Ja.«
»Fehlt keine?«
»Nein. Und jetzt erzähle.«
»Wie ich im Kloster ankomme, ist die Oberin im Hof. Die beiden Polizisten stehen rechts und links von mir.
›Frau Oberin‹, sage ich, ,ich muß Sie in
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