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Papillon

Papillon

Titel: Papillon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henri Charrière
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in der Zelle auf die Planke, wo mich die andern nicht sehen können, und rauche zwei oder drei Zigaretten. Als ich dem Schwarzen sein Brettchen zurückgebe, werfe ich ihm eine brennende Zigarette zu, und er macht es aus Rücksicht auf die andern genau wie ich. Solche Kleinigkeiten, die wie gar nichts aussehen, bedeuten in meinen Augen ungeheuer viel. Denn sie beweisen mir, daß wir, die Parias der Gesellschaft, wenigstens noch einen Rest von Lebensart und Zartgefühl besitzen.
    Hier ist es nicht wie in der Conciergerie. Ich kann träumen und umhergehen, ohne mir ein Taschentuch über die Augen legen zu müssen, um sie vor dem zu grellen Licht zu schützen.
    Wer mag es wohl der Polizei gesteckt haben, daß ich im Kloster zu finden bin? Wenn ich es eines Tages erfahre, soll er mir dafür bezahlen! – Reg dich nicht auf, Papillon, sage ich mir gleich darauf. Du hast in Frankreich genug zu tun, um dich zu rächen, was willst du da in diesem fremden Land noch viel Böses aushecken? Der Denunziant wird gewiß durch das Leben selbst bestraft werden, und wenn du eines Tages hierher zurück mußt, dann nicht, um dich zu rächen, sondern um Lali und Zoraima Gutes zu tun und vielleicht deinen Kindern. Nur ihretwegen sollst du in deine Hütte zurückkommen, aller Goajiros wegen, die dir die Ehre erwiesen haben, dich bei sich und den Ihren aufzunehmen … Ich befinde mich noch auf dem Weg in die Hölle. Aber selbst in der Zelle unter dem Meer befinde ich mich noch auf der Flucht, auf dem Weg in die Freiheit, ob ich will oder nicht. Das steht fest.
    Ich habe Papier, einen Bleistift und zwei Pakete Zigaretten erhalten. Es ist jetzt drei Tage her, daß ich hier bin. Eigentlich müßte ich Nächte sagen, denn hier ist es immer Nacht. Während ich eine der Piel Roja rauche, muß ich die Hilfsbereitschaft der Gefangenen untereinander bewundern. Er riskiert viel, der Kolumbier, der mir das Paket bringt. Wenn er dabei erwischt wird, trägt das zweifellos auch ihm einen Aufenthalt in den Todeszellen ein. Er weiß das und übernimmt es trotzdem, mir auf meinem Leidensweg zu helfen. Das ist mehr als Mut, das ist ungewöhnliche Seelengröße. Wieder lese ich beim Licht einer angezündeten Papierrolle: »Papillon, wir wissen, daß Du Dich gut hältst, bravo! Berichte uns. Bei uns ist alles beim alten. Eine Nonne, die Französisch spricht, wollte Dich besuchen, man hat sie nicht zu uns gelassen, aber ein Kolumbier hat uns erzählt, daß er Zeit hatte, ihr zu sagen, daß der Franzose in den Todeszellen ist.
    Ich komme wieder, hat sie gesagt. Das ist alles. Wir umarmen Dich. Deine Freunde.«
    Die Antwort zu schreiben, fiel mir nicht leicht, aber es gelang mir. »Danke für alles«, schrieb ich. »Es geht, ich halte durch. Schreibt dem französischen Konsul. Man kann nie wissen! Gebt Eure Aufträge immer demselben, damit im Falle des Falles nur einer bestraft wird. Berührt die Pfeilspitzen nicht. Es lebe die Flucht!«
Flucht aus Santa Marta
    Achtundzwanzig Tage danach bin ich durch die Intervention eines belgischen Konsuls namens Klausen aus dem teuflischen Loch heraus. Der Schwarze, der Palacios hieß und drei Wochen nach meiner Ankunft herauskam, hatte den Einfalt gehabt, seiner Mutter bei einem Besuch zu sagen, sie möchte den belgischen Konsul verständigen, daß ein Belgier in den Zellen sei. Der Einfalt war ihm gekommen, als er sah, wie am Sonntag ein Belgier von dem Konsul besucht wurde.
    Eines Tages also werde ich ins Zimmer des Kommandanten geführt.
    »Sie sind Franzose. Warum beschweren Sie sich beim belgischen Konsul?«
    Im Amtszimmer saß in einem Fauteuil ein weißgekleideter, ungefähr fünfzigjähriger Herr mit einer Serviette auf den Knien. Sein blondes Haar war fast weiß, sein Gesicht rundlich, rosig und frisch.
    Blitzartig erfasse ich die Situation.
    »Das sagen
Sie,
daß ich Franzose bin. Ich gebe zu, daß ich der französischen Justiz entwischt bin, aber ich selber bin Belgier.«
    »Sehen Sie?« sagt der Kleine mit dem Pfarrergesicht.
    »Warum haben Sie das nicht gesagt?«
    »Mir schien das in Ihren Augen nicht so wichtig, denn ich habe auf Ihrem Boden kein ernstes Delikt begangen, außer daß ich entsprungen bin. Und das ist bei jedem Gefangenen normal.«
    »Bueno. Ich werde Sie mit Ihren Kameraden zusammenlegen. Aber ich mache Sie aufmerksam, Senor Konsul, beim ersten Fluchtversuch kommt er wieder dorthin zurück, wo er bis jetzt war. Führen Sie ihn zum Friseur, und dann bringen Sie ihn zu seinen Kameraden.«
    »Danke,

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