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Papillon

Papillon

Titel: Papillon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henri Charrière
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essen.
    Zwei Tage nach unserer Ankunft versammelt man uns alle sechs in Gegenwart des Direktors sowie einiger Polizisten und Photoreporter in der Kapelle.
    »Sie sind aus dem Bagno von Französisch-Guayana entsprungen.«
    »Wir haben es nie geleugnet.«
    »Für welche Delikte ist jeder von Ihnen so schwer bestraft worden?«
    »Das ist nicht so wichtig. Wichtig ist, daß wir auf kolumbischem Boden kein Delikt begangen haben und daß Ihre Nation uns nicht nur das Recht verweigert, wieder ins Leben zurückzukehren, sondern auch noch Menschenjäger und Gendarmen der französischen Regierung gegen uns einsetzt.«
    »Kolumbien ist der Ansicht, Sie auf seinem Territorium nicht aufnehmen zu dürfen.«
    »Aber ich persönlich und zwei meiner Kameraden wollen ja gar nicht in Ihrem Land leben. Man hat uns drei auf offenem Meer verhaftet und nicht bei dem Versuch, auf Ihrem Boden zu landen. Im Gegenteil, wir haben unser Äußerstes getan, um uns von hier zu entfernen.«
    »Die Franzosen«, sagt der Journalist eines katholischen Blattes, »sind fast alle Katholiken, wie wir Kolumbien«
    »Möglich, daß Sie katholisch getauft sind, aber Ihre Handlungs weise ist wenig christlich.«
    »Und was haben Sie uns vorzuwerfen?« fragt der Direktor.
    »Daß Sie Kollaborateure der Gefangenenaufseher sind, die uns verfolgen«, antworte ich. »Ja sogar mehr, Sie machen ihre Arbeit. Man hat uns unseres Bootes und alles dessen beraubt, was uns die Katholiken der Insel Cura9ao in der Person ihres edelmütigen Bischofs Irenee de Bruyne geschenkt haben. Wir können es nicht für richtig halten, daß Sie, weil Sie das Risiko nicht übernehmen wollen, daß wir uns eine problematische bürgerliche Existenz zusammenzimmern, uns darüber hinaus auch noch daran hindern, mit unseren eigenen Mitteln in ein Land zu gelangen, das dieses Risiko vielleicht auf sich nimmt.«
    »Und was wollen Sie, daß Kolumbien tut?«
    »Nicht Kolumbien selbst, sondern sein Polizei- und Gerichtssystem.«
    »Was wollen Sie damit sagen?«
    »Daß das Ganze wiedergutgemacht werden könnte, wenn man nur will. Lassen Sie uns über das Meer in ein anderes Land fahren!«
    »Wir werden versuchen, das für Sie zu erreichen.«
    In den Hof zurückgekehrt, sagt Maturette zu mir: »Na, kapiert? Diesmal brauchen wir uns keine Illusionen zu machen. Wir sitzen drin, und es wird nicht leicht sein, da herauszukommen.«
    »Meine lieben Freunde, ich weiß nicht, ob wir vereint nicht viel stärker wären, aber ich muß euch sagen: Jeder von euch soll tun, was er für gut hält. Was mich betrifft, so werde ich trachten, aus dieser famosen ›80‹ herauszukommen.«
    Am Donnerstag werde ich ins Sprechzimmer gerufen, wo mich ein gut gekleideter, ungefähr fünfundvierzigjähriger Mann erwartet. Er hat eine auffallende Ähnlichkeit mit Louis Dega.
    »Du bist Papillon?«
    »Ja.«
    »Ich bin Joseph, der Bruder von Louis Dega. Ich habe die Zeitungen gelesen und komme dich besuchen.«
    »Danke.«
    »Hast du meinen Bruder da unten getroffen? Kennst du ihn?« Ich erzähle ihm ausführlich Degas Odyssee bis zu dem Tag, an dem wir uns im Spital trennten. Er sagt mir, daß sich sein Bruder auf den lies du Salut befinde, er selbst habe es eben erst aus Marseille erfahren. Die Besuche finden Donnerstag und Sonntag in der Kapelle statt. Herr Dega berichtet weiter, daß es in Baranquilla ein Dutzend Franzosen gebe, die hier mit ihren Frauen ihr Glück machen wollten. Sie seien alle Zuhälter. In einem besonderen Stadtviertel gebe es gegen zwanzig Prostituierte, die hier die hohe Tradition der eleganten raffinierten französischen Prostitution aufrechterhalten. Es sind immer die gleichen Männer- und Frauentypen, von Kairo bis in den Libanon, von England bis nach Australien, von Buenos Aires bis Caracas, von Saigon bis Brazzaville. Es sei ihre uralte Spezialität, die Prostitution und die damit verbundene besondere Lebensart über die Erde zu verbreiten.
    Joseph Dega läßt mir auch noch eine andere Neuigkeit zukommen: Die französischen Zuhälter von Baranquilla seien besorgt, weil sie fürchten, daß unsere Ankunft im Gefängnis dieser Stadt ihrem blühenden Geschäft schaden und sie aus ihrer Ruhe reißen könnte. Denn wenn einer oder mehrere von uns ausbrächen, würde die Polizei sie in den französischen »Casetas« suchen, selbst wenn die Entsprungenen dort nie hinflüchteten. Das wäre nämlich für die Polizei eine willkommene Gelegenheit, hinter falsche Papiere, abgelaufene oder ungültige

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