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Papillon

Papillon

Titel: Papillon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henri Charrière
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auf die Aufseher betrifft, so will er sein möglichstes tun, um für mich und Clousiot nur fünf Jahre, für Maturette drei Jahre durchzusetzen. »Und Sie, obgenannter Papillon, können sich darauf verlassen, daß ich Ihnen die Flügel gründlich stutzen werde. Sie fliegen mir nicht mehr so bald davon!«
    Ich fürchte, er hat recht.
    Wir müssen noch über zwei Monate warten, bis wir vor Gericht erscheinen können. Ich wollte, ich hätte eine bis zwei von den vergifteten Pfeilspitzen in meinen Stöpsel getan. Wenn ich die bei mir hätte, würde ich hier vielleicht alles wagen können.
    Ich mache täglich einige Fortschritte im Gehen. Francois Sierra versäumt es nie, mir morgens und abends mit Kampferöl die Füße zu massieren. Diese Massagen tun mir ungemein gut, körperlich wie auch moralisch. Es ist so gut, einen Freund zu haben im Leben!
    Die lange Flucht hat uns bei allen Sträflingen unbestrittene Hochachtung eingetragen, wir genießen ein Prestige, und ich habe das bestimmte Gefühl, daß wir unter ihnen vollkommen sicher sind. Wir laufen nicht Gefahr, wegen unseres Stöpsels ermordet zu werden. Der Großteil der Gefangenen würde es nicht zulassen und die Schuldigen sicherlich töten. Alle, ohne Ausnahme, respektieren uns nicht nur, sie bewundern uns oft sogar. Daß wir es wagten, die Posten niederzuschlagen, bringt uns in den Ruf, zu allem imstande zu sein.
    Es ist sehr angenehm, sich so in Sicherheit zu fühlen.
    Ich gehe jeden Tag etwas mehr, und da mir Sierra eine kleine Flasche von dem Öl überläßt, kann ich sehr oft Gefangene bitten, mir nicht nur die Füße, sondern auch die Beinmuskeln zu massieren, die von der langen Ruhe geschwächt sind. Sie tun es jeder gerne.
Der Araber und die Ameisen
    In dem Saal befinden sich zwei schweigsame Männer, die mit keinem von uns reden. Sie stecken dauernd beisammen und unterhalten sich so leise miteinander, daß niemand etwas verstehen kann. Eines Tages biete ich einem von ihnen eine amerikanische Zigarette aus einem Paket an, das Sierra mir gebracht hat. Er bedankt sich.
    »Ist Francois Sierra dein Freund?« fragt er dann.
    »Ja, mein bester Freund.«
    »Vielleicht werden wir dir, wenn alles schiefgeht, durch seine Vermittlung unsere Erbschaft zukommen lassen.«
    »Was für eine Erbschaft?«
    »Wir haben beschlossen, mein Freund und ich, daß wir dir, wenn wir guillotiniert werden, unseren Stöpsel vererben, damit du wieder ausbrechen kannst. Wir werden ihn dann Sierra übergeben, damit er ihn dir gibt.«
    »Glaubt ihr denn, daß ihr zum Tode verurteilt werdet?«
    »Es ist beinahe sicher. Wir haben wenig Chancen, darum herumzukommen.«
    »Aber wenn es so sicher ist, daß ihr zum Tode verurteilt werdet, warum seid ihr dann hier in dem Gemeinschaftssaal?«
    »Ich glaube, weil sie Angst haben, daß wir in der Einzelhaft Selbstmord verüben.«
    »Ach so, das ist möglich. Was habt ihr denn getan?«
    »Wir haben ein Schwein von einem Aufseher von fleischfressenden Ameisen auffressen lassen. Ich sage dir das, weil es dafür leider unwiderlegliche Beweise gibt. Wir sind bei der Tat erwischt worden.«
    »Wo war das?«
    »Im Kilometer 42, dem Todeslager in der Nähe der Bucht Sparouine.«
    Sein Kamerad gesellt sich zu uns. Er ist aus Toulouse. Ich biete auch ihm eine amerikanische an. Er setzt sich neben seinen Freund mir gegenüber.
    »Wir haben nie jemanden um seine Meinung gefragt«, erklärt der Mann aus Toulouse, »aber ich würde gerne wissen, was du von uns hältst.«
    »Wie soll ich sagen, ob ihr recht oder unrecht tatet, als ihr den Ameisen einen lebenden Menschen zu fressen gabt, wenn’s auch ein Aufseher war. Ich muß das Ganze von A bis Z kennen.«
    »Ich werde es dir erzählen«, sagt der Toulouser. »Das Lager Kilometer 42 ist ein Holzlager, zweiundvierzig Kilometer von Saint-Laurent entfernt. Die Zwangsarbeiter da unten müssen einen Kubikmeter hartes Holz im Tag schneiden. Abends muß man neben dem gut aufgeschichteten Holz im Busch warten. Die Aufseher kommen in Begleitung arabischer Wärter und stellen fest, ob du dein Pensum erfüllt hast. Wenn sie okay gesagt haben, muß jeder Kubikmeter, je nach dem Tag, an welchem er geschnitten wurde, mit roter, grüner oder gelber Farbe gekennzeichnet werden. Die geleistete Arbeit wird nur dann anerkannt, wenn alles Hartholz ist. Um das zu erreichen, läßt man die Arbeit von zwei Mann machen. Sehr oft haben wir das Pensum nicht erfüllen können. Dann wurde man abends ohne Essen in eine Zelle gesperrt und

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