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Papillon

Papillon

Titel: Papillon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henri Charrière
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mußte in der Früh, ohne etwas zu essen, wieder an die Arbeit. Das Fehlende vom Vortag mußte aufgeholt werden, zum üblichen Pensum dazu. Man krepiert wie ein Hund.
    Je länger das geht«, fährt der Toulouser fort, »um so schwächer wird man, und um so weniger fähig, die Arbeit auszuführen. Oben- drein hat man uns eine Sonderwache mitgegeben, das war kein Aufseher, sondern ein Araber. Er hat sich, mit dem Ochsenziemer zwischen den Beinen, auf den Holzplatz gesetzt und nicht aufgehört, uns zu beschimpfen. Wenn er aß, schmatzte er recht, um uns neidisch zu machen, kurz, es war eine Tortur. Wir hatten jeder einen Stöpsel mit dreitausend Franc, um auszubrechen. Und eines Tages beschlossen wir, uns den Araber zu kaufen. Das hätten wir nicht tun sollen. Zum Glück hat er geglaubt, daß wir nur
einen
Stöpsel miteinander haben. Sein System war einfach: für fünfzig Franc zum Beispiel hat er uns von den Kubikmetern, die am Vortag als in Ordnung befunden worden waren, Holzstücke stehlen lassen, die der Bemalung entgangen sind, und wir machten damit unser Tagespensum voll. Fünfzig- und Hundertfrancweise zapfte er uns so fast zweitausend Franc ab.
    Da wir also unser Pensum wieder erfüllten, entfernte man den Araber. Und in der Annahme, daß er uns nicht anzeigen würde, weil er uns doch so viel Geld abgenommen hat, suchten wir im Busch nach bereits genehmigten Kubikmetern, um es zu machen wie bei ihm. Eines Tages schlich er uns heimlich nach, um zu sehen, ob wir Holz stahlen. Plötzlich tauchte er auf.
    ›Ah, ah! Du stehlen immer Holz und nicht zahlen! Wenn du mir nicht geben fünfhundert Franc, ich dich anzeigen.‹
    Wir glauben, er will uns nur drohen, und weigern uns. Am nächsten Tag kommt er wieder. ›Du zahlen, oder heute nacht du bist in Zelle.‹ Wir weigern uns noch immer. Am Nachmittag kommt er in Begleitung von ein paar Posten. Das war entsetzlich, Papillon! Man hat uns nackt ausgezogen, uns zu den Kubikmetern geführt, von denen wir das Holz weggenommen hatten, und von diesen Barbaren verfolgt und von dem Ochsenziemer des Arabers geschlagen, mußten wir im Laufen unsere Kubikmeter abtragen und die Stücke, die wir geklaut hatten, wieder an Ort und Stelle bringen. Diese ›corrida‹ hat zwei Tage gedauert. Wir bekamen weder zu essen noch zu trinken. Oft sind wir hingefallen. Aber der Araber hat uns mit Fußtritten oder mit dem Ochsenziemer wieder aufgejagt. Schließlich blieben wir liegen. Wir konnten nicht mehr. Und weißt du, wie er uns da in die Höhe brachte? Er hat eines der Nester vom Baum genommen, die wie Nester von wilden Wespen aussehen, aber von Feuerfliegen bewohnt werden. Er hat den Zweig mit dem Nest abgeschnitten und über uns zerbrochen. Wie verrückt vor Schmerzen sind wir nicht nur aufgestanden, sondern wie die Irren gerannt. Du weißt, wie schmerzhaft ein Wespenstich ist. Jetzt stell dir fünfzig bis sechzig solche Stiche vor! Diese Feuerfliegen stechen nämlich viel ärger als Wespen. Zehn Tage lang läßt man uns bei Wasser und Brot in der Zelle, ohne uns zu behandeln. Wir haben die ärgsten Stellen mit unserm Urin bestrichen, trotzdem haben die Stiche drei Tage ununterbrochen gebrannt. Ich habe mein linkes Auge verloren, auf das sich vielleicht zehn Feuerfliegen gesetzt hatten. Als wir ins Lager zurückkamen, beschlossen die andern Verurteilten, uns zu helfen. Sie haben uns jeder ein Stück Hartholz von gleicher Größe gegeben, das machte beinah einen Kubikmeter aus und hat uns sehr geholfen, denn wir beide mußten mehr als einen Kubikmeter am Tag schneiden. Wir haben es mit Mühe geschafft, aber wir haben es geschafft. Nach und nach sind wir wieder zu Kräften gekommen. Wir haben viel gegessen. Und zufällig ist uns die Idee gekommen, uns an dem Kerl zu rächen. Auf der Suche nach Hartholz haben wir in einem Gebüsch ein riesiges Nest fleischfressender Ameisen entdeckt, die eben dabei waren, eine Hündin von der Größe einer Ziege zu verspeisen. Der Araber machte immer seine Runden, und eines Tages schlagen wir ihn mit dem Griff der Hacke nieder und schleppen ihn zu dem Ameisenhaufen. Wir ziehen ihn aus und binden ihn rund um den Baum, Hände und Füße mit so dicken Stricken zusammengefesselt, wie man sie zum Holzbinden verwendet. Mit der Hacke haben wir ihm an verschiedenen Stellen Wunden beigebracht. In den Mund haben wir Gras gestopft, damit er nicht schreien kann. Dann warteten wir ab. Die Ameisen haben ihn erst angegriffen, als wir sie einen Stock hinauflaufen ließen,

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