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Papillon

Papillon

Titel: Papillon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henri Charrière
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und Reibpapier bei ihm gefunden. Und aus Wut darüber, daß der Kerl sich von uns trennte, ohne die Streichhölzer mit uns allen zu teilen – und dazu der Hunger –, kurz, sie machen ein Feuer an und verspeisen den Burschen.
    Guesepi kommt mitten im Festschmaus bei ihnen an. Sie laden ihn ein. Guesepi lehnt ab. Er hat am Meer Krabben und rohe Fische gegessen. Er sieht dem Spektakel zu, ohne sich daran zu beteiligen. Die Graville legen frische Fleischstücke auf die Glut und verwenden sogar das Holzbein, um damit das Feuer zu füttern.
    Sie essen zwei Tage lang. Guesepi hat auch gesehen, welche Körperteile es waren: die Wade, der Schenkel und beide Hinterbacken. Ich war indessen am Meer«, fährt Marius fort, »und Guesepi ist mich holen gekommen. Wir haben kleine Fische und Krabben in einen Hut gefüllt und sie dann am Feuer der Graville gebraten. Den Kadaver habe ich nicht mehr gesehen, sie hatten ihn wohl schon weggetragen. Aber ich habe noch mehrere Fleischreste in der Nähe des Feuers und in der Asche bemerkt.
    Drei Tage später gabelte uns eine Küstenwache auf und übergab uns dem Strafquartier von Saint-Laurentdu-Maroni. Guesepi konnte den Mund nicht halten. Alle in diesem Saal kennen die Geschichte, sogar die Aufseher. Ich erzähle sie dir nur, weil alle wissen sollen, was für einen miserablen Charakter die Graville haben. Daher auch die lästigen Bemerkungen in der Nacht. Die Anklage gegen uns lautet auf Flucht, mit dem erschwerenden Zusatzdelikt Menschenfresserei. Das Malheur ist, daß ich anklagen muß, wenn ich mich verteidigen will, und das ist mir nicht möglich. Guesepi natürlich und alle andern leugnen beim Untersuchungsverhör. Wir sagen, die beiden sind im Busch verschwunden. Ja, das ist meine Situation, Papillon.«
    »Tut mir leid, mein Freund, aber du kannst dich wirklich nur verteidigen, indem du die andern anklagst.«
    Einen Monat später wurde Guesepi nachts im Hof durch einen Messerstich umgebracht. Nicht nötig, zu fragen, wer ihm den versetzt hat.
    Das ist die authentische Geschichte von den Menschenfressern, die den Kerl verspeisten, den sie auf seinem eigenen Holzbein gebraten haben und der selbst vorher den jungen Burschen verzehrt hatte, der ihn begleitete.
    Diese Nacht liege ich an einer anderen Stelle an der Barre der Gerechtigkeit. Ich habe den Platz eines Mannes eingenommen, der nicht mehr da ist, und die anderen gebeten, um einen Platz weiterzurücken.
    Clousiot liegt neben mir.
    Von dem Platz aus, an dem ich jetzt liege, kann ich, wenn ich mich aufsetze, trotz meinem angeketteten linken Fuß sehen, was im Hof los ist.
    Die Bewachung ist so streng, daß die Runden keinen Rhythmus mehr haben, sie folgen einander unaufhörlich, und jeden Augenblick kommen andere in entgegengesetzter Richtung.
    Ich bin schon recht gut bei Fuß und habe nur noch bei Witterungswechsel Schmerzen. Natürlich bin ich dauernd auf dem Sprung, wieder etwas zu unternehmen, aber wie? Der Saal hat keine Fenster, er hat nur ein riesiges, an einer Stelle gestütztes Gitter, das die ganze Saalbreite einnimmt und bis ans Dach reicht. Er liegt so, daß der Nordwind frei hindurchfegen kann. Trotz einer Woche genauer Beobachtung gelingt es mir nicht, eine Lücke in der Bewachung herauszufinden. Zum erstenmal bin ich fast so weit, daß ich zugebe, daß es ihnen gelingen wird, mich ins Zuchthaus von Ile Saint-Joseph zu sperren.
    Man erzählt mir, daß es grauenhaft ist, man nennt es die »Menschenfresserin«. In den achtzig Jahren, seitdem es besteht, soll es noch keinem gelungen sein, daraus zu entkommen.
    Natürlich zwingt mich dieses halbe Eingeständnis, die Partie verloren zu haben, dazu, Betrachtungen über die Zukunft anzustellen. Ich bin achtundzwanzig, und der Aufseher-Staatsanwalt fordert fünf Jahre Zuchthaus. Weniger zu bekommen wird schwierig sein. Ich werde also dreiunddreißig sein, wenn ich herauskomme.
    Ich habe noch genug Geld in meinem Stöpsel. Wenn ich also schon nicht fliehen kann, was nach allem, was ich jetzt weiß, sehr wahrscheinlich ist, muß ich mich wenigstens bei guter Gesundheit erhalten. Fünf Jahre völliger Isolierung werden schwer durchzustehen sein, ohne verrückt zu werden. Neben guter Ernährung werde ich vom ersten Tag an mein Gehirn in Zucht nehmen und mir ein gutes, abwechslungsreiches Programm ausdenken müssen. Luftschlösser sind möglichst zu vermeiden, und vor allem werde ich die Wunschträume bezüglich meiner Rache einschränken müssen. Ich schule mich jetzt schon

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