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Papillon

Papillon

Titel: Papillon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henri Charrière
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schließt das kalte Wasser und öffnet das kochend heiße. Ich schreie wie wahnsinnig, denn ich bin buchstäblich nahe daran, gesotten zu werden. Ivanhoe ist hinausgegangen. Der ganze Raum dampft, ich ersticke fast und mache übermenschliche Anstrengungen, dieses unglückselige Tuch zu durchstoßen.
    Vergeblich! Endlich kommt man mir zu Hilfe. Die Aufseher haben den Dampf aus dem Fenster herausfahren sehen. Als man mich aus dem glühenden Sud herausholt, habe ich furchtbare Verbrennungen und leide wie ein Verdammter. Vor allem auf den Schenkeln und auf den Körperteilen, wo das siedende Wasser die Haut abgelöst hat. Mit Übermangan betupft, legt man mich in den kleinen Spitalsraum des Asyls. Meine Verbrennungen sind so schwer, daß der Arzt gerufen wird. Einige Morphiumspritzen helfen mir, die ersten vierundzwanzig Stunden zu überstehen. Als der Toubib mich fragt, was eigentlich vorgefallen ist, sage ich ihm, im Baderaum sei ein Vulkan ausgebrochen. Niemand begreift, wie das geschehen ist, und der Obersanitäter beschuldigt den Hilfspfleger, der das Bad gerichtet hat, daß er den Wasserzufluß schlecht geregelt habe.
    Salvidia kommt zu mir, nachdem man mich mit Brandsalbe eingeschmiert hat. Er ist fertig und gibt mir zu verstehen, daß das eine ganz besondere Chance sei, daß ich mich im Spital befinde, denn falls die Flucht schon zu Beginn mißlingt, kann man in diesen Teil des Asyls zurückkehren, ohne gesehen zu werden. Er muß schnell einen Schlüssel zur Spitalstür machen. Mit einem Stück Seife nimmt er den Abdruck. Morgen ist der Schlüssel fertig. Es liegt nun an mir, den Tag zu bestimmen, an dem ich mich genügend erholt fühle, um die erste Gelegenheit zu nützen, wenn einer der Gammler sich seine Wachrunde schenkt.
    Heute nacht wird das sein. Während der Wache von eins bis fünf. Salvidia hat keinen Dienst. Um Zeit zu gewinnen, wird er das Essigfaß gegen elf Uhr abends ausleeren. Das andere, das Ölfaß, werden wir gefüllt hinunterrollen, denn das Meer ist sehr stürmisch, und das Öl wird dazu beitragen, die Wogen zu besänftigen, wenn wir die Fässer aufs Wasser setzen.
    Ich habe Hosen aus einem Mehlsack, an den Knien abgeschnitten, und eine wollene Joppe. Dazu ein gutes Messer im Gürtel. Ich habe auch einen wasserundurchlässigen Beutel, den ich mir um den Hals hängen werde. Er enthält Zigaretten und ein Feuerzeug. Salvidia hat einen wasserdichten Brotbeutel mit Maniokmehl vorbereitet, das er mit Öl und Zucker versetzt hat. Es sind ungefähr drei Kilo, sagt er mir. Es ist spät. Auf dem Bett sitzend, warte ich auf meinen Kumpel. Ich habe starkes Herzklopfen: In wenigen Minuten geht die Flucht los! Wenn das Schicksal und der liebe Gott mir beistehen, werde ich endlich auf immer als Sieger den Weg der Verwesung verlassen. Seltsam, wenn ich flüchtig meine Vergangenheit streife, denke ich nur an meinen Vater und an meine Familie. Kein Bild der Geschworenen taucht auf, keine Richter, kein Staatsanwalt.
    In dem Augenblick, da sich die Tür öffnet, sehe ich plötzlich Matthieu vor mir, wie ihn die Haie aufrecht emporheben.
    »Papi – los!« Ich bin bereit. Rasch schließt er die Tür wieder zu und versteckt den Schlüssel in einem Gangwinkel. »Schnell, mach schnell!« Wir kommen zur Speisekammer, die Tür ist offen. Das leere Faß hinauszubringen ist eine Spielerei. Salvidia wickelt sich die Stricke um den Leib, ich die Eisendrähte. Ich nehme den Brotsack und beginne in der stockdunklen Nacht mein Faß zum Meer hinunter zu rollen. Er mit dem Ölfaß hinterdrein. Glücklicherweise ist er sehr stark, und es gelingt ihm einigermaßen leicht, es auf dem steilen Abhang zu bremsen.
    »Langsam, langsam, paß auf, daß dich das Faß nicht mitreißt.«
    Ich warte auf ihn, falls er sein Faß auslassen muß, das dann an das meine anschlagen würde. Ich steige schrittweise hinunter, vorne ich, hinten mein Faß. Ohne jede Schwierigkeit kommen wir unten auf dem Weg an. Da ist ein kleiner Zugang zum Meer, aber an seinem Ende liegen Felsen, und die werden schwer zu überwinden sein.
    »Leer dein Faß aus, mit dem vollen kommen wir nie über die Felsen.« Der Wind weht stark, die Wellen brechen sich tosend am Gestein. Das hätten wir. Es ist leer. »Gib den Korken tief hinein. Warte, schlag den Blechdeckel fest.« Bei diesem Sturm und Meeresrauschen sind die Schläge bestimmt nicht zu hören.
    Eines gut mit dem andern verbunden, sind die beiden Fässer noch immer schwer über die Felsen hinwegzuschaffen. Jedes

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