Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Papillon

Papillon

Titel: Papillon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henri Charrière
Vom Netzwerk:
nicht zu schnell ausgeheilt sein.«
    »Danke. Wie heißt du?«
    »Dupont.«
    »Danke, Dupont. Ich werde deine Ratschläge nicht vergessen.«
    Jetzt ist es schon einen Monat her. Sechs Tage nach dem verunglückten Start hat man den Körper meines Kumpels gefunden. Er wurde an Land gespült. Durch einen unerklärlichen Zufall haben ihn die Haifische nicht gefressen. Aber andere Fische haben ihm, scheint’s, alle Gedärme herausgerissen und auch einen Teil der Beine angefressen, erzählt mir Dupont. Sein Schädel war eingeschlagen. Wegen des fortgeschrittenen Stadiums der Auflösung ist keine Obduktion gemacht worden. Ich frage Dupont, ob eine Möglichkeit besteht, einen Brief zur Post zu befördern. Er muß in Galganis Hände kommen, der den Postsack verschnürt, so daß er ihn dazustecken kann.
    Und so schreibe ich an Salvidias Mutter nach Italien:
    »Madame, Ihr Kleiner ist ohne Eisen an den Füßen gestorben. Er ist mutig im Meer gestorben, weit von den Wachen und vom Gefängnis. Er ist frei gestorben, beim Kampf um die Erringung seiner Freiheit. Wir hatten uns gegenseitig versprochen, an unsere Familie zu schreiben, falls einem von uns beiden ein Unglück zustoßen sollte. Ich erfülle diese schmerzliche Pflicht, ergebenst Ihre Hände küssend. Papillon, der Freund Ihres lieben Sohnes.«
    Nachdem ich diese Pflicht erfüllt hatte, beschloß ich, nicht mehr an das unheilvolle Vorkommnis zu denken.
    So ist das Leben nun einmal. Jetzt heißt es nur: herauskommen aus dem Asyl, um jeden Preis auf die Teufelsinsel, und von dort aus neue Flucht.
    Der Aufseher hat mich zum Gärtner in seinem Garten gemacht. Seit zwei Monaten schon führe ich mich gut und habe mich so anstellig gezeigt, daß dieser Idiot mich nicht mehr auslassen will. Der Auvergnat sagt mir, daß mich der Arzt nach der letzten Untersuchung aus dem Asyl ins Lager entlassen wollte, zur »Versuchsentlassung«. Der Aufseher hat sich dem widersetzt und gesagt, sein Garten sei noch nie so sorgfältig bearbeitet worden. Daher habe ich heute morgen alle Erdbeerpflanzen ausgerissen, sie zum Unkraut geworfen und an die Stelle jeder Erdbeerpflanze ein kleines Kreuz gesetzt. So viele Erdbeerpflanzen, so viele Kreuze. Der Skandal war unbeschreiblich. Es lohnt sich nicht, ein Bild davon geben zu wollen. Dieser Esel von einem Wachhabenden erstickte fast an seiner Entrüstung. Er schluckte und schnaufte, um irgend etwas sagen zu können, aber es kam kein richtiges Wort heraus. Schließlich setzte er sich auf einen Schubkarren und weinte echte Tränen. Zugegeben, ich hatte es ein wenig zu arg getrieben, aber was sollte ich tun? Der Toubib hat die Geschichte nicht tragisch genommen. Er bestand darauf, daß »dieser Kranke zur Versuchsentlassung« ins Lager zurückgebracht werde, um »sich wiederum an das normale Leben zu gewöhnen. Während des vielen Alleinseins im Garten wäre dem Kranken diese Zwangsidee gekommen«.
    »Sag mal, Papillon, warum hast du die Erdbeeren ausgerissen und an ihre Stelle Kreuze gesetzt?«
    »Ich kann es nicht erklären, Herr Doktor. Aber ich möchte mich beim Aufseher entschuldigen. Er hat seine Erdbeeren so geliebt, daß es mir wirklich sehr leid tut. Ich werde den lieben Gott bitten, ihm neue zu schenken.«
    Nun bin ich wieder im Lager, treffe alle meine Freunde wieder. Nur der Platz von Carbonieri ist leer. Ich richte mir meine Hängematte neben diesem leeren Raum, als ob er noch immer da wäre.
    Der Doktor ließ mir auf meine Bluse »In Sonderbehandlung« draufnähen. Niemand außer ihm darf mir Befehle geben. Er hat angeordnet, daß ich von acht bis zehn Uhr vormittags vor dem Spital die Blätter aufzulesen habe. Ich trinke Kaffee und rauche einige Zigaretten in Gesellschaft des Arztes, vor seinem Haus in einem Lehnsessel sitzend. Seine Frau hat sich zu uns gesellt, und der Toubib versucht, daß ich ihm etwas aus meiner Vergangenheit erzähle, und seine Frau hilft ihm dabei.
    »Nun, Papillon, erzähl weiter… Was geschah nachher? Was ist dir widerfahren, nachdem du die Perlenfischer verlassen hast?«
    Jeden Nachmittag verbringe ich mit diesen reizenden Menschen. »Kommen Sie mich jeden Tag besuchen, Papillon«, sagt die Frau des Doktors. »Erstens möchte ich Sie sehen, und dann möchte ich Ihre Erlebnisse hören,«
    Jeden Tag verbringe ich so einige Stunden mit dem Toubib und seiner Frau, und manchmal mit seiner Frau allein. Sie sind überzeugt, daß es mein geistiges Gleichgewicht wiederherstellt, wenn ich aus meiner Vergangenheit

Weitere Kostenlose Bücher