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Papillon

Papillon

Titel: Papillon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henri Charrière
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heraufgestiegen? Ich hätte noch ein wenig warten müssen. Ich mache mir Vorwürfe, zu schnell angenommen zu haben, daß mein Kumpel verloren war.
    In der Schublade meines Nachttischchens befinden sich zwei Schlaftabletten. Ich nehme sie ohne Wasser.
    Mein Speichel genügt, um sie hinuntergleiten zu lassen.
    Ich schlafe noch, da spüre ich, wie ich geschüttelt werde, und sehe den Hilfspfleger vor mir. Der Raum ist sonnenhell, das Fenster offen. Drei Kranke blicken von draußen herein.
    »Na, was ist, Papillon? Du schläfst ja wie ein Toter. Es ist zehn Uhr vormittags. Nicht einmal deinen Kaffee hast du getrunken. Er ist ganz kalt. Schau her, trink ihn.«
    Obwohl ich noch nicht ganz wach bin, nehme ich doch wahr, daß offenbar in bezug auf mich alles normal zu sein scheint.
    »Warum haben Sie mich geweckt?«
    »Weil deine Verbrennungen geheilt sind und wir das Bett brauchen. Du kommst in deine Zelle zurück.«
    »In Ordnung, Chef.« Und ich folge ihm. Er läßt mich eine kurze Weile im Hof stehen. Ich nütze das aus, um in der Sonne meine Schuhe trocknen zu lassen. Nun sind es schon drei Tage seit der mißlungenen Flucht. Ich bin ganz unbehelligt geblieben. Ich gehe aus meiner Zelle auf den Hof hinaus, vom Hof in meine Zelle zurück. Salvidia ist nicht mehr aufgetaucht, also ist der Arme tot, sicherlich an den Felsen zerschmettert. Ich selbst bin gut davongekommen und habe mich wohl dadurch gerettet, daß ich hinten war anstatt vorne. Wer konnte das wissen? Ich muß aus dem Asyl heraus. Es wird schwieriger sein, sie glauben zu machen, daß ich geheilt bin, zumindest so weit, um ins Lager zurückkehren zu dürfen. Jetzt geht es also darum, den Arzt davon zu überzeugen, daß es mir besser geht.
    »Herr Rouviot (das ist der Obersanitäter), ich habe kalt in der Nacht. Ich verspreche Ihnen, meine Wäsche nicht zu beschmutzen, warum geben Sie mir nicht Hosen und ein Hemd? Ich bitte Sie darum.«
    Der Mann ist verblüfft. Er blickt mich sehr erstaunt an, dann sagt er: »Setz dich her zu mir, Papillon. Sag mal, was ist eigentlich los mit dir?«
    »Ich bin überrascht, mich hier zu befinden, Chef, es ist doch das Asyl, nicht wahr? Ich befinde mich also bei den Verrückten? Sollte ich zufällig die Orientierung verloren haben? Warum bin ich hier? Bitte sagen Sie es mir, Chef. Seien Sie so freundlich.«
    »Du warst krank, mein Lieber, aber ich habe den Eindruck, daß es dir besser geht. Willst du arbeiten?«
    »Ja. Gern.«
    »Was möchtest du tun?«
    »Ist mir egal.«
    Und so bin ich jetzt bekleidet und helfe die Zellen reinigen. Am Abend läßt man meine Tür bis um neun offen, und erst wenn der Nachtaufseher seine Wache antritt, werde ich wieder eingeschlossen.
    Ein Hilfspfleger aus der Auvergne hat mich gestern abend zum erstenmal angesprochen. Wir standen allein in der Nähe des Wachtpostens. Der Posten selber war noch nicht gekommen. Ich kannte diesen Burschen nicht, aber er sagte, daß er mich gut kenne.
    »Lohnt nicht die Mühe, daß du weiter um dich schlägst, Kumpel.«
    »Was meinst du?«
    »Geh…! Glaubst du, du kannst mich blöd machen? Seit sieben Jahren bin ich Krankenwärter bei den Verrückten. Schon nach deiner ersten Woche habe ich begriffen, daß du bluffst.«
    »Na und?«
    »Es tut mir ehrlich leid, daß deine Flucht mit Salvidia schiefgegangen ist. Ihn hat es das Leben gekostet. Das ist ein wirklicher Schmerz für mich, denn er war ein guter Freund von mir, und ich trage ihm nicht nach, daß er mich nicht ins Vertrauen gezogen hat. Wenn du was brauchst, sag’s mir, ich werde dir gern gefällig sein.«
    Seine Augen haben einen so sauberen Blick, daß ich nicht an seiner Ehrlichkeit zweifle. Und wenn ich auch nichts Gutes von ihm gehört habe, so habe ich doch auch nichts Schlechtes von ihm gehört, er muß also ein guter Junge sein.
    Armer Salvidia! Es muß einen rechten Wirbel gegeben haben, als man bemerkte, daß er weg war. Sie haben Teile der Fässer gefunden, die vom Meer an Land gespült wurden. Sie sind sicher, daß ihn die Haifische gefressen haben. Der Toubib macht einen Teufelskrach wegen des ausgeschütteten Olivenöls, er sagt, daß man wegen des Kriegs nicht so bald wieder eines erhalten würde.
    »Was rätst du mir?«
    »Ich werde dich in die Gruppe einreihen lassen, die jeden Tag das Asyl verläßt, um Lebensmittel für das Spital zu holen. Das bedeutet einen Spaziergang. Fang an, dich gut zu verhalten. Und von zehn Gesprächen zeig bei acht, daß du bei Sinnen bist. Denn man darf auch

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