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Papillon

Papillon

Titel: Papillon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henri Charrière
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wie ich den Bolzen herausziehen kann, und wenn er vorsichtig zu Werke geht, erledigt er mich im Schlaf wie nichts. Ich werde also versuchen, nicht zu schlafen. Ich habe ein ganzes Paket Gauloises, ich werde es ausrauchen und wach bleiben. Ich kann mich nicht diesem Mann anvertrauen, der offenbar ein anständiger Mann ist und mich natürlich für einen Banditen halten muß. Die Nacht ist vollkommen schwarz. Er liegt zwei Meter weit weg von mir, ich kann nur noch seine hellen Fußsohlen ausnehmen. Der Busch hat seine charakteristischen Nachtlaute. Ununterbrochen das Geheul des großkropfigen Affen, ein rauher und mächtiger Schrei, den man auf Kilometer hört. Das ist sehr wichtig.
    Denn wenn er regelmäßig ertönt, so bedeutet das, daß seine Herde ruhig fressen oder schlafen kann. Dann ist keine Gefahr im Verzug, das heißt: weder Raubtiere noch Menschen im Umkreis.
    Ohne allzu große Anstrengungen kämpfe ich gegen den Schlaf an, und neben einigen Brandwunden, die ich mir mit der Zigarette zufügen muß, helfen mir dabei vor allem die Moskitos, die anscheinend entschlossen sind, mir den letzten Blutstropfen auszusaugen. Ich könnte mich dagegen schützen, indem ich mir eingespeichelten Tabak auf die Haut schmiere. Der Nikotinsaft würde die Moskitos von mir abhalten. Aber ich weiß, daß ich ohne sie wahrscheinlich einschlafen würde. Hoffentlich sind die da keine Malaria- oder Gelbfieberüberträger.
    Nun bin ich also, wenigstens vorläufig einmal, vom Weg des Verderbens weg. Als ich ihn betrat, war ich fünfundzwanzig, wir hatten das Jahr 1931. Jetzt haben wir 1941. Also zehn Jahre sind es nun genau. Ich stehe am Anfang des Erfolges, endlich. Der erste Teil der Flucht liegt hinter mir. Ich bin aus der Tiefe des Brunnens, in den man mich hinabgestoßen hat, heraufgestiegen und stehe nun am Brunnenrand. Jetzt muß ich alle meine Energie und alle meine Intelligenz aufbieten, um die zweite Etappe zu gewinnen.
    Die Nacht geht träge vorbei, aber sie verstreicht immerhin, und ich habe nicht geschlafen. Ich habe nicht einmal das Gewehr aus der Hand gegeben. So bin ich wach geblieben, und die Verbrennun gen und Moskitostiche haben mir derart geholfen, daß ich nicht ein einziges Mal die Waffe aus dem Arm gleiten ließ.
    Ich kann mit mir zufrieden sein, denn ich habe nicht meine Freiheit aufs Spiel gesetzt, indem ich vor der Müdigkeit kapitulierte. Der Geist war stärker als der Körper, und ich gratuliere mir in dem Augenblick, da die ersten Vogelschreie ertönen, die den nahenden Sonnenaufgang anzeigen. Diese wenigen ersten Schreie sind gewissermaßen das Vorspiel, dem alles andere schnell zu folgen pflegt.
    Der Neger hat sich aufgesetzt, nachdem er seinen ganzen Leib gereckt hat, und ist jetzt dabei, sich die Füße zu massieren.
    »Guten Morgen. Sie haben nicht geschlafen?«
    »Nein.«
    »Das war dumm, denn ich versichere Ihnen, daß Sie nichts von mir zu befürchten haben. Ich bin entschlossen, Ihnen zu helfen, damit Ihr Plan gelingt.«
    »Danke, Jean. Wird es noch lange dauern, bis die Sonne durch den Busch dringt?«
    »Noch über eine Stunde. Nur die Tiere spüren sehr viel früher als jedes andere Lebewesen, daß die Sonne aufgehen wird. In einer Stunde werden wir Tageslicht haben. Leihen Sie mir Ihr Messer, Papillon.«
    Ohne Zögern reiche ich es ihm hin. Er nimmt es, macht zwei oder drei Schritte und schneidet ein Stück von einem Dickblattgewächs ab. Er teilt das Blatt und sagt: »Trinken Sie das Wasser, das darin ist, und bestreichen Sie sich auch damit das Gesicht.«
    Ich trinke diesen merkwürdigen Saft und wasche mich damit. Der neue Tag ist angebrochen. Jean hat mir das Messer zurückgegeben. Ich zünde mir eine Zigarette an, und Jean raucht auch eine. Wir brechen auf.
    Gegen Mittag kommen wir nach mehrmaligem, schwierigem Durchwaten von großen Sumpfstellen, jedoch ohne jede gute oder schlechte Begegnung, im Umkreis des Lagers Inini an.
    Wir haben uns auf einer richtigen Zufahrtsstraße dem Lager genähert. Eine Schmalspurbahn führt entlang dieses weiten, urbar gemachten Terrains. »Das ist eine Schienenstrecke, auf der die Wagen nur von den Chinesen geschoben werden«, sagt der Neger. Diese Eisenkarren machen einen entsetzlichen Lärm, man hört sie schon von weitem. Eben sehen wir, wie so ein Eisenkarren vorbeikommt, eine Bank steht darauf, auf der zwei Aufseher sitzen. Hintennach zwei Chinesen mit langen Holzstangen, die das Ding bremsen. Von den Rädern sprühen Funken. Jean erklärt mir, daß die

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