Papillon
vielleicht an.«
Der Chinese hat uns ein großes Stück von seinem Bananenkraut gegeben. Wir essen es. Es ist frisch und köstlich, mit einem starken Nußgeschmack dabei. Jean wird wachen, ich schenke ihm Vertrauen. Ich streiche mir Tabaksaft auf Gesicht und Hände, denn die Moskitos beginnen über uns herzufallen …
»Papillon, man pfeift ›La Madelon‹.«
Jean hat mich geweckt.
»Wie spät ist es?«
»Nicht spät. Vielleicht neun Uhr.«
Wir treten auf die Straße hinaus. Die Nacht ist schwarz. Der Pfeifer nähert sich, ich antworte. Er kommt noch näher, ist schon ganz nahe, ich spüre, aber sehe ihn nicht. Abwechselnd pfeifend, kommen wir endlich zueinander. Es sind drei. Jeder ergreift meine Hand. Bald wird der Mond aufgehen.
»Setzen wir uns an den Straßenrand«, sagt einer von ihnen in tadellosem Französisch.
Wir können uns gegenseitig im Dunkel nicht sehen. Jean ist zu uns gestoßen.
»Iß zuerst, dann sprechen wir«, sagt der Gebildete von der Bande.
Jean und ich essen eine sehr heiße Gemüsesuppe. Das durchwärmt uns, und wir beschließen, einen Rest der Suppe für später aufzuheben. Wir trinken gezuckerten heißen Tee mit Pfefferminz geschmack, er ist köstlich.
»Du bist ein enger Freund von Tschang?«
»Ja. Er sagte mir, ich solle Quiek-Quiek aufsuchen, um gemeinsam mit ihm zu flüchten. Ich bin schon dreimal sehr weit geflüchtet, bis nach Kolumbien. Ich bin ein guter Seefahrer, und darum wollte Tschang, daß ich seinen Bruder mitnehme. Er hat Vertrauen zu mir.«
»Sehr gut. Was hat er für Tätowierungen, der Tschang?«
»Einen Drachen auf der Brust, drei Punkte auf der linken Hand. Er sagte mir, daß diese drei Punkte das Zeichen sind, daß er einer der Anführer der Revolte von Paolo Condor war. Sein bester Freund ist ein anderer Anführer der Revolte und heißt Van Hue. Er hat einen Arm amputiert.«
»Das bin ich«, sagt der Intellektuelle. »Du bist also gewiß ein Freund von Tschang und daher unser Freund.
Hör gut zu: Quiek -Quiek hat noch nicht übers Meer wegkönnen, weil er kein Boot führen kann. Er ist allein, er ist im Busch, ungefähr ein Dutzend Kilometer von hier. Er macht Holzkohle. Freunde verkaufen sie und geben ihm das Geld. Wenn er genug Ersparnisse haben wird, will er versuchen, ein großes Boot zu kaufen und jemanden zu finden, der mit ihm zusammen übers Meer wegflüchtet. Wo er jetzt ist, besteht keine Gefahr für ihn. Niemand kann zu dieser Art Insel kommen, wo er sich aufhält, denn sie ist mitten im Sumpf.
Jeder wird vom Sumpf verschluckt, der das Abenteuer wagt, ohne sich genau auszukennen. Ich werde dich bei Sonnenaufgang abholen, um dich zu Quiek-Quiek zu führen. Kommt mit.«
Wir gehen am Straßenrand entlang, denn der Mond ist aufgestiegen, und es ist hell genug, um fünfzig Meter weit zu sehen. Als wir an einer Holzbrücke ankommen, sagt Van Hue zu mir: »Da drunten kannst du schlafen, ich werde dich morgen früh holen.«
Wir reichen uns die Hände, und dann gehen sie weg. Sie gehen auf der Straße, ohne sich zu verstecken.
Für den Fall, daß man sie entdeckt, werden sie sich ausreden, sie hätten die am Tag ausgelegten Fallen im Busch kontrolliert. Jean sagt: »Papillon, du schläfst besser nicht hier, schlaf lieber im Busch. Ich werde hier schlafen. Wenn er kommt, ruf ich dich.«
»In Ordnung.« Ich ziehe mich in den Busch zurück, und nachdem ich einige Zigaretten geraucht habe, schlafe ich glücklich ein, den Bauch mit der guten Suppe vollgeschlagen.
Van Hue ist schon vor Sonnenaufgang beim Rendezvous. Um Zeit zu gewinnen, will er auf der Straße gehen, bis die Sonne sich hebt. Wir schreiten während der folgenden vierzig Minuten kräftig aus. Mit einem Schlag ist die Sonne da, und von weitem ist der Lärm eines Eisenkarrens zu hören, der sich auf der Schienenstrecke bewegt. Wir gehen wieder ins Dickicht.
»Leb wohl, Jean, Dank und viel Glück. Möge Gott dich segnen, dich und deine Familie!« Ich bestehe darauf, daß er die fünfhundert Franc annimmt. Er erklärt mir noch, wie ich mich seinem Dorf nähern könnte, falls der Plan mit Quiek-Quiek schiefgeht, und wie ich wieder auf den Pfad zurückkomme, wo ich ihn getroffen habe.
Er muß ihn zweimal in der Woche gehen, und so könnte ich ihn dort treffen. Ich drücke die Hand dieses edlen guayanischen Schwarzen, und er springt auf die Straße. »Vorwärts«, sagt Van Hue und dringt in den Busch ein. Er orientiert sich in Sekundenschnelle, wir marschieren los und kommen schnell weiter,
Weitere Kostenlose Bücher