Papillon
der Vögel weckt mich bei Sonnenaufgang. Ich nehme den letzten Kokosbrei zu mir und setze, mit einem kleinen Bündel auf der Schulter, meinen Weg gegen Osten fort.
Gegen drei Uhr nachmittags finde ich einen Pfad. Es mag ein Weg der Baiatasucher sein oder der Waldaufseher oder der Leute, die die Goldsucher mit Lebensmitteln versorgen. Der Pfad ist schmal, aber er ist gut gehalten, ohne Quergezweig, er muß also häufig begangen werden. Von Zeit zu Zeit sind Abdrücke von Esels- oder Mulihufen ohne Eisenbeschläge da. In einem ausgetrockneten Schlammloch bemerke ich Fußspuren, die große Zehe ist klar im Lehm abgedrückt. Ich marschiere bis zum Einbruch der Nacht, kaue Kokosfleisch, das nährt mich und stillt zugleich den Durst. Fein gekaut, voll Öl und Speichel, reibe ich mir manchmal Nase, Lippen und Wangen mit dieser Mixtur ein. Meine Augen sind voll Eiter und verkleben sich häufig. Sobald ich kann, werde ich sie mit Süßwasser abwaschen. In meinem Kokossack hatte ich auch eine wasserdichte Büchse mit einem Stück Seife, einem Rasierapparat, einem Dutzend Rasierklingen und einem Pinsel. Sie sind unbeschädigt geblieben.
Ich halte beim Gehen das Buschmesser in der Hand, aber ich brauche es nicht, der Weg ist ohne Hindernisse. Ich entdecke sogar zu beiden Seiten frische Schnittwunden an Zweigen, sie sind also erst vor kurzem abgehauen worden. Auf diesem Pfad müssen also Leute gegangen sein. Ich darf mich nur vorsichtig vorwärts bewegen.
Der Busch ist nicht der gleiche, wie ich ihn bei meiner ersten Flucht aus Saint-Laurent-du-Maroni kennengelernt habe. Dieser hier besteht aus zwei Schichten und ist nicht so dicht wie in Maroni. Die erste Vegetation steigt bis zu einer Höhe von fünf bis sechs Meter hinauf, und weiter oben bildet sich das Blätterdach in ungefähr zwanzig Meter Höhe. Das Tageslicht fällt nur von rechts auf meinen Pfad, links ist fast Nacht.
Ich komme schnell vorwärts, und manchmal überquere ich eine Lichtung, die von einem Feuer herrührt, das ein Mensch angezündet hat oder der Blitz. Ich sehe die Sonnenstrahlen einfallen, und ihr Winkel zeigt mir, daß es nicht mehr lang ist bis zum Sonnenuntergang. Der Pfad wendet sich genau nach Osten, er muß also zum Negerdorf von Kourou oder zum gleichnamigen Straflager führen.
Mit einem Schlag wird es Nacht sein. Nachts darf ich nicht marschieren. Ich werde mich seitwärts in den Busch verziehen und einen Winkel zum Schlafen finden.
Etwas mehr als dreißig Meter vom Pfad bin ich unter einem weichen Haufen von einer Art Bananenblättern gut geschützt und strecke mich auf diesem Lager aus. Ich werde ganz im Trockenen schlafen können, falls es nicht regnet. Ich rauche zwei Zigaretten.
Ich bin nicht sehr müde heute abend. Das Kokosfleisch hält mich in Form, was den Hunger anlangt. Aber der Durst, der trocknet meinen Mund aus, und es fällt mir schwer, immer noch aus irgendeinem Winkel Speichel herzukriegen. Die zweite Etappe meiner Flucht hat begonnen, und nun befinde ich mich schon die dritte Nacht ohne unangenehmen Zwischenfall auf dem Festland.
Ach! Wenn doch Sylvain bei mir wäre! Aber er ist eben nicht da, was soll ich machen, mein Freund? Hast du je im Leben jemanden gebraucht, um zu handeln, Papillon? Jemanden, der dich be- rät oder unterstützt?
Bist du ein Kapitän, oder bist du nur ein Schiffsjunge? Sei nicht blöd. Klar, daß du über den Verlust deines Freundes Schmerz empfindest. Großen Schmerz. Aber du bist, obwohl allein im Busch, trotzdem nicht weniger stark, als wenn er noch mit dir wäre.
Jetzt sind sie schon alle sehr weit, die von Royale, von Saint-Joseph und von der Teufelsinsel, vor sechs Tagen hast du sie verlassen. In Kourou werden sie sicher benachrichtigt worden sein. Zuerst die Aufseher vom Waldlager, dann das Negerdorf. Es muß auch einen Gendarmerieposten geben. Ist es eigentlich klug, auf dieses Dorf zuzuwandern? Ich weiß nichts von seiner Umgebung. Das Lager liegt zwischen dem Dorf und dem Fluß, das ist alles, was ich von Kourou weiß.
In Royale habe ich gedacht, mir den ersten Kerl beizubiegen, der vorüberkommt, und ihn zu zwingen, mich in die Umgebung des Lagers Inini zu führen, wo sich die Chinesen, darunter Quiek-Quiek, Tschangs Bruder, befinden. Warum soll ich den Plan ändern? Wenn sie auf der Teufelsinsel angenommen haben, ich sei ertrunken, dann gibt es keine Jagd auf mich. Haben sie jedoch auf Flucht geschlossen, dann ist dieses Kourou sehr gefährlich. Da es ein Waldlager ist, muß es dort
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