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Papillon

Papillon

Titel: Papillon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henri Charrière
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in meinem Leben einen Tonfilm in Farbe gesehen habe, und noch ganz erfüllt bin von diesem neuen Erlebnis, folge ich Guittou, der mich in eine riesige Bar schleppt. Mehr als zwei Dutzend Franzosen haben eine Ecke des Raumes für sich beschlagnahmt. Das Getränk: Cuba libre, das ist Schnaps mit CocaCola.
    Alle diese Männer sind Flüchtlinge, sind Schwere. Die einen sind abgehauen, nachdem man sie freigelassen hat, sie hatten ihre Strafe beendet und hätten zur »Doublage«, zu dieser Bewährung in Freiheit, antreten müssen. Halb krepiert vor Hunger, ohne Arbeit, schief angesehen sowohl von der Bevölkerung als auch von den Behörden wie von den einfachen Leuten in Guayana, zogen sie es vor, in ein Land zu flüchten, wo sie besser leben zu können glaubten. Aber auch hier ist es schwer, erzählen sie mir.
    »Ich schlage Holz im Busch für zwei Dollar fünfzig im Tag. Bei John Fernandez. Jeden Monat einmal komme ich auf acht Tage nach Georgetown. Ich bin verzweifelt.«
    »Und du?«
    »Ich sammle Schmetterlinge. Ich fange sie im Busch, und wenn ich eine hübsche Menge verschiedener beisammen habe, arrangiere ich sie in einer Schachtel unter Glas und verkauf die Sammlung.«
    Andere sind Hafenarbeiter oder Lastträger. Alle arbeiten, aber sie haben kaum genug zum Leben. »Es ist hart, aber man ist frei«, sagen sie. »Die Freiheit – das ist schon etwas!«
    Heute abend kam ein Ausgewiesener, der uns sehen wollte. Faussard heißt er. Er bezahlt das Getränk für alle. Er war an Bord eines kanadischen Schiffes, das Bauxit geladen hatte und an der Mündung des Demerara torpediert wurde. Er ist »survivor«, das heißt ein Überlebender, und er hat Geld dafür bekommen, daß er die Versenkung überlebt hat. Fast die ganze Besatzung ist ertrunken. Er hat das Glück gehabt, noch in einem Rettungsboot einen Platz zu finden. Er erzählt, daß das deutsche Unterseeboot an die Oberfläche gekommen ist, und einer von den Boches hat mit ihnen gesprochen. Er hat sie gefragt, wie viele Schiffe sich im Hafen befinden, die mit Bauxit auslaufen werden. Sie haben geantwortet, daß sie das nicht wüßten. Und der Mann, der sie ausfragte, fing daraufhin zu lachen an: »Gestern«, sagte er, »war ich in dem und dem Kino in Georgetown. Schaut her, hier hab ich noch die halbe Eintrittskarte.« Und, seine Bluse öffnend, habe er zu ihnen gesagt: »Die kommt von Georgetown.« Die es nicht glaubten, lachten auf diesen Bluff hin, aber Faussard war überzeugt, daß er die Wahrheit sprach, und hatte auch sicher recht. Der Mann von dem Unterseeboot habe ihnen nämlich sogar das Schiff bezeichnet, das sie auffischen würde. Und tatsächlich wurden sie dann auch genau von dem angekündigten Boot gerettet. Jeder erzählt so seine Geschichte. Ich sitze mit Guittou neben einem alten Pariser aus den Hallen: »Petit-Louis aus der Rue de Lombards«, stellt er sich vor. Und nach einer Weile sagt er: »Mein lieber Papillon, ich habe einen guten Trick gefunden, um ohne Arbeit leben zu können. Wenn in einer Zeitung der Name eines Franzosen in der Rubrik ›Gestorben für Gott, Kaiser und Vaterland‹ aufschien, oder so ähnlich, ich weiß nicht genau, dann machte ich mich zu einem Steinmetz auf und ließ mir ein Photo von einem einfachen Grabstein herstellen und malte den Schiffsnamen, das Datum, wann es versenkt wurde, und den Namen dieses Franzosen darauf. Nachher präsentierte ich mich damit in Villen von reichen Engländern und sagte ihnen, sie sollten eine Spende geben, damit der für England gefallene Franzose endlich ein schönes Grabdenkmal auf dem Friedhof kriegen kann. Das ging so bis vorige Woche, da ist plötzlich so ein bretonischer Hornochse, der nach einer Schiffsversenkung als tot gemeldet war, sehr gesund und lebendig auf dem Marktplatz aufgetaucht. Und ausgerechnet kommt er mit einigen lieben Damen ins Gespräch, denen ich fünf Dollar für das Grab dieses lieben Toten abgeluchst habe, daraufhin brüllt er herum, er wäre nicht tot, sondern absolut lebendig, und niemand habe je ein Marmorgrab für ihn bestellt, das könne nur ein Gauner gewesen sein. Jetzt muß ich eine andere Sache finden, denn in meinem Alter kann ich doch nicht mehr arbeiten.«
    Die Cuba libres taten das Ihrige dazu, daß jeder mit lauter Stimme, überzeugt, daß nur wir Französisch verstanden, die unmöglichsten Geschichten erzählte.
    »Ich mache aus Balata Puppen«, sagt einer, »und Griffe für Fahrräder. Unglücklicherweise vergessen die kleinen Mädchen ihre

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