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Papillon

Papillon

Titel: Papillon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henri Charrière
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hatten, zu einem einzigen großen Haufen zusammentragen. Andere mußten hinter ihnen den Boden sauber machen. Bis der große, glosende Haufen in der Mitte der gerodeten Fläche beisammen war und zum Brennen gebracht wurde, waren sicherlich an die achtzig bis hundert Peitschenhiebe verabreicht worden. Mit seinem Ochsenziemer trieb jeder Soldat seinen Gefangenen an, die Überbleibsel und Holzschnitzel aufzuklauben und im Schnellauf zur Mitte der Rodung zu bringen. Dieses teuflische Rennen löste bei einigen einen richtigen Wahnsinns anfall aus, und wenn sie von einem glosenden Holzhaufen zum andern stürzten, dann erwischten sie manchmal noch zur Seite gefallene glühende Äste.
    Die Hände verbrannt, grausam gepeitscht, barfuß über Glutnester oder noch brennende Zweige rasend eine abenteuerliche Szene, die drei Stunden dauerte. Nicht einer von uns wurde eingeladen, an dieser Art »Urbarmachung« teilzunehmen. Zum Glück für die Soldaten. Denn wir hatten uns untereinander mit kurzen Sätzen verständigt, daß wir uns auf unsere fünf Soldaten inklusive Feldwebel stürzen, sie entwaffnen und mit ihren Gewehren in diesen Zirkus von verrücktgewordenen Wilden hineinpfeffern würden.
    Heute, Dienstag, sind wir nicht zur Arbeit hinaus. Wir wurden in den Dienstraum der beiden Kommandanten der Nationalgarde gerufen. Die beiden Militärs sind sehr erstaunt darüber, daß wir ohne Dokumente ins Lager eingewiesen wurden und somit der Nachweis fehlt, daß es auf Grund eines Gerichtsurteils geschah.
    Es dauerte nicht lang. Diese beiden kommandierenden Majore der Wachmannschaft sind gewiß sehr streng, man könnte sogar sagen scharf, aber sie sind korrekt, denn sie haben gefordert, daß der Lagerleiter selbst herkommt, um uns Erklärungen zu geben.
    So steht er also jetzt vor uns, in Begleitung seines Schwagers, Russian hieß der Kerl, und zwei Offizieren der Nationalgarde.
    »Franzosen – ich bin der Leiter der Kolonie El Dorado. Sie haben mich zu sprechen gewünscht. Was wollen Sie?«
    »Vorerst möchten wir wissen, welches Gericht uns in Abwesenheit zur Abbüßung einer Strafe in dieser Zwangsarbeitskolonie verurteilt hat? Was haben wir angestellt und auf wie lange wurden wir verurteilt? Wir sind übers Meer nach Irapa auf Venezuela gekommen. Wir haben nicht das geringste Delikt begangen.
    Warum müssen wir hier sein? Und mit welchem Recht zwingt man uns zur Strafarbeit?«
    »Zuerst einmal befinden wir uns im Krieg. Daher müssen wir genau wissen, wer Sie sind.«
    »Sehr wohl. Aber das rechtfertigt nicht unsere Einbringung in Ihr Bagno.«
    »Sie haben sich der französischen Justiz entzogen, Sie sind Flüchtlinge. Wir müssen daher wissen, ob Sie nicht von ihr angefordert werden.«
    »Zugegeben. Aber ich bestehe darauf: warum behandelt man uns so, als wären wir zu einer Strafe verurteilt?«
    »Im Augenblick sind Sie hier auf Grund eines Gesetzes, das Vagabondage und Übeltäterei unter Strafe stellt, und zwar so lange, bis wir die nötigen Auskünfte über Sie eingeholt haben.«
    Diese Diskussion hätte noch lang angedauert, wenn nicht einer .der Offiziere sie durch seine Meinungsäußerung abgeschnitten hätte.
    »Herr Direktor«, sagte er, »wir können anständigerweise diese Männer nicht so behandeln wie die anderen Gefangenen. Ich schlage daher vor, daß wir, solange noch kein Bescheid aus Caracas da ist, der diesen Sonderfall regelt, die Männer bei etwas anderem als bei der Straßenarbeit einsetzen. Es wird sich etwas finden lassen.«
    »Es sind gefährliche Männer. Sie haben gedroht, den Oberaufseher zu töten, wenn er sie schlägt. Stimmt das?«
    »Wir haben das nicht nur ihm angedroht, Herr Direktor, sondern das gilt für jeden: wem immer es Spaß machen sollte, einen von uns zu schlagen, der wird umgebracht.«
    »Und wenn es ein Soldat ist?«
    »Egal. Wir haben durch nichts eine solche Behandlung verdient. Unsere Gesetze und unser Strafregime sind vielleicht schrecklicher und unmenschlicher als die Ihren, aber wie Tiere geschlagen zu werden, das lassen wir uns leider nicht gefallen.«
    Der Direktor wendet sich triumphierend an seine Offiziere: »Da sehen Sie gleich selbst, wie gefährlich diese Männer sind!«
    Der Wachkommandant, der ältere von den beiden, zögert ein, zwei Sekunden, dann sagt er zum großen Erstaunen aller: »Die geflüchteten Franzosen haben recht. Hier in Venezuela gibt es keine rechtliche Handhabe, diese fünf Männer dem Strafregime dieser Kolonie zu unterwerfen. Ich pflichte ihnen bei.

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