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Papillon

Papillon

Titel: Papillon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henri Charrière
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gefälschten Zuweisung durchleuchten lassen. Sierra rät mir, vorher den Stöpsel herauszunehmen, da ihn der Arzt, wenn er mich unterhalb des Zwerchfells durchleuchtet, entdecken könnte. Ich bitte Sierra, Jesus zum Röntgen zu schicken und mit Chatal auch meinetwegen einen Termin zu vereinbaren. Noch am selben Abend teilt er ihn mir mit: übermorgen um neun.
    Am nächsten Tag will Dega aus dem Spital entlassen werden, eben so Fernandez. Die »Mana« ist frühmorgens abgedampft. Sie hoffen, aus den Zellen entfliehen zu können. Ich wünsche ihnen viel Glück, ändere aber meine eigenen Pläne nicht.
    Ich habe Jésus gesprochen. Er ist ein alter Freigelassener, hager wie eine Sardine, mit einem tiefgebräunten, von zwei häßlichen Narben entstellten Gesicht. Eines seiner Augen tränt. Dreckige Schnauze, dreckiger Blick. Er flößt mir wenig Vertrauen ein, und die Zukunft sollte mir recht geben.
    Wir verhandeln rasch. »Ich kann dir ein Boot für vier, höchstens fünf Mann vorbereiten. Ein Faß Wasser, Lebensmittel, Kaffee und Tabak. Drei indianische Ruder, leere Mehlsäcke, Nadel und Faden, damit du dir selbst das Segel und den Klüver machen kannst. Einen Kompaß, eine Axt, ein Messer und fünf Liter Tafia (so heißt der einheimische Rum), alles für zweitausendfünfhundert Franc. In drei Tagen ist Neumond. Von heute an in vier Tagen werde ich acht Tage lang jede Nacht von elf Uhr bis drei auf dich warten, falls dir mein Angebot paßt. Wenn das erste Viertel voll ist, warte ich nicht mehr. Das Boot wird genau gegenüber der Ecke der Spitalsmauer liegen. Halte dich an die Mauer, denn solange du nicht an der Ecke bist, kannst du das Boot nicht sehen, nicht einmal aus zwei Meter Entfernung.«
    Ich habe kein rechtes Vertrauen zu der Geschichte, trotzdem sage ich ja.
    »Und das Geld?« fragt Jesus.
    »Schick ich dir durch Sierra.« Wir gehen ohne Händedruck auseinander. Hervorragend ist das alles nicht.
    Um drei Uhr geht Chatal ins Lager, Sierra die zweitausendfünfhundert Franc zu bringen. Ich setze das Geld, das ich Galgani verdanke, aufs Spiel, denn es ist riskant. Wenn er die zweitausendfünfhundert Eier nur nicht in Rum umsetzt!
    Clousiot strahlt. Er hat Vertrauen zu sich, zu mir und zu dem Vorhaben. Nur eines macht ihm zu schaffen: der arabische Gefangenenwärter, der zwar nicht jede Nacht, aber doch sehr oft abends in den Saal zurückkommt. Ein zweites Problem: Wen könnte man als dritten Kumpanen wählen? Da ist ein Korse aus der Unterwelt von Nizza, Biaggi heißt er. Biaggi ist seit 1929 im Bagno und liegt in diesem streng überwachten Saal, weil er einen Mord begangen hat. Clousiot und ich beraten, ob wir mit ihm reden sollen und wann. Während wir uns so pianissimo miteinander unterhalten, kommt ein Ephebe von achtzehn Jahren auf uns zu, hübsch wie eine Frau. Er heißt Maturette, wurde mit siebzehn zum Tode verurteilt und wegen seines jugendlichen Alters begnadigt. Er hatte einen Taxichauffeur erschossen. Sie waren zu zweit, sechzehn und siebzehn Jahre, und diese Kinder hatten bei Gericht, anstatt sich gegenseitig anzuklagen, beide erklärt, den Chauffeur getötet zu haben. Aber der Chauffeur hatte nur
eine
Kugel im Leib. Diese Haltung hatte den beiden Jungen die Sympathie aller Sträflinge eingetragen.
    Maturette kommt auf uns zu und bittet uns mit der Stimme eines Mädchens um Feuer. Wir geben es ihm, und ich mache ihm obendrein vier Zigaretten und eine Schachtel Streichhölzer zum Geschenk. Er dankt mit reizendem Lächeln und geht wieder.
    Plötzlich sagte Clousiot: »Wir sind gerettet, Papi. Der Kerl wird in den Saal zurückkommen, sooft und wann wir wollen!«
    »Wieso?«
    »Ganz einfach: wir werden den kleinen Maturette überreden, den Kerl in sich verliebt zu machen. Araber lieben junge Bürschchen, warum sollte der eine Ausnahme bilden. Ihn dazu zu bringen, nachts hereinzukommen, um mit dem Jungen zu schmusen, wird nicht sehr schwierig sein. Dann muß er sich zieren und sagen, er hat Angst, gesehen zu werden, und dann kommt der Araber, wann es uns paßt.«
    »Laß mich machen!«
    Ich gehe zu Maturette. Er empfängt mich mit gewinnendem Lächeln. Er glaubt, daß er mich vorhin mit ebendiesem Lächeln gewonnen hat. »Du irrst«, sage ich sofort, »komm mit aufs Klo.« Er gehorcht.
    »Wenn du ein einziges Wort von dem, was ich dir jetzt sagen werde, verrätst, bist du ein toter Mann«, beginne ich. »Würdest du dies und das und jenes für Geld tun? Für wieviel? Und wenn ja, würdest du es tun, um uns

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