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Papillon

Papillon

Titel: Papillon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henri Charrière
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denn die Zigarre ist grünlich. Nur das linke Auge hat noch ein Augenlid, dem rechten fehlt es, und eine Wunde verläuft von diesem Auge bis hoch hinauf in die Stirn. Dort verliert sie sich in den grauen Haarbüscheln.
    »Wir helfen dir, Kamerad. Du sollst nicht werden wie ich, das lasse ich nicht zu«, sagt er mit rauher Stimme.
    »Danke.«
    »Ich bin aus der Vorstadt, ich heiße der Furchtlose Jean. Ich war viel schöner und viel gesünder und viel stärker als du, als ich ins Bagno kam. Und das ist jetzt in zehn Jahren aus mir geworden.«
    »Bist du nicht in Behandlung?«
    »Doch. Es geht mir besser, seit ich Injektionen mit Choumograöl bekomme. Schau her!« Er wendet den Kopf und zeigt mir die linke Seite. »Hier herüben ist alles trocken.«
    Unendliches Mitleid befällt mich, und ich hebe die Hand, um zum Zeichen der Freundschaft seine linke Wange zu berühren. Er zuckt zurück. »Danke, daß du mich berühren willst, aber berühre nie einen Kranken!
    Iß und trink auch niemals aus seiner Tasse!« – Einen Leprakranken, der den Mut hat, einem sein Gesicht zu zeigen, trifft man nicht oft.
    »Wo ist der Mann?« fragt jemand. Der Schatten eines Menschen, nicht viel größer als ein Zwerg, erscheint in der Tür.
    »Allerheiligen und die andern wollen ihn sehen. Bringt ihn hinauf.«
    Der Furchtlose Jean erhebt sich. »Komm mit«, sagt er.
    Wir gehen in die Nacht hinaus. Ich an der Seite des Furchtlosen Jean, vier oder fünf vor uns, die übrigen hinter uns. Nach etwa drei Minuten gelangen wir an einen vom Mondlicht schwach erhellten Platz. Es ist der höchste Punkt der Insel. In der Mitte steht ein Haus, aus dessen beiden Fenstern Licht dringt. An der Tür erwarten uns ungefähr zwanzig Männer. Wir gehen auf sie zu. Sie treten zurück, um uns ins Haus zu lassen, und wir befinden uns in einem zehn Meter langen und etwa vier Meter breiten Saal. In einer Art Kamin brennt, umstellt von vier riesigen, gleich hohen Steinen, ein Holzfeuer. Der Raum ist von zwei dicken petroleumgefüllten Sturmlaternen erleuchtet. Auf einem Schemel hockt ein Mann unbestimmten Alters, mit weißem Gesicht und schwarzen Augen. Hinter ihm, auf einer Bank, sitzen fünf bis sechs Männer.
    Der auf dem Schemel sagt: »Ich bin Allerheiligen, der Korse, und du bist wohl Papillon?«
    »Ja.«
    »Neuigkeiten verbreiten sich schnell im Bagno. So schnell, wie man handelt. Wo hast du den Karabiner?«
    »Er liegt im Fluß.«
    »An welcher Stelle?«
    »Gegenüber der Spitalsmauer, genau dort, wo wir heruntergesprungen sind.«
    »Dort muß er doch zu holen sein?«
    »Ich nehme an. Das Wasser ist nicht sehr tief an der Stelle.«
    »Woher weißt du das?«
    »Ich war gezwungen, hineinzusteigen, um meinen verletzten Freund ins Boot zu tragen.«
    »Was hat er denn?«
    »Einen gebrochenen Fuß.«
    »Was hast du mit ihm gemacht?«
    »Wir haben aus Zweigen eine Art Gipsverband um das Bein gemacht.«
    »Hat er Schmerzen?«
    »Ja.«
    »Wo ist er?«
    »In der Piroge.«
    »Du hast gesagt, du brauchst Hilfe. Was meinst du damit?«
    »Ich brauche ein Boot.«
    »Du willst ein Boot von uns haben?«
    »Ja. Ich kann es bezahlen, ich habe Geld.«
    »Gut. Ich werde dir meines verkaufen. Es ist sehr stark und ganz neu, ich habe es vorige Woche in Albina gestohlen. Es ist eigentlich kein Boot, es ist ein Schiff. Es fehlt ihm nur eines, ein Kiel. Aber wir können dir in zwei Stunden einen guten Kiel machen. Sonst hat es alles, was man braucht: ein Steuerruder mit Ruderpinne, einen vier Meter langen Mast, einen Anker und ein ganz neues Leinwandsegel. Was bietest du?«
    »Sag mir, was es kostet. Ich weiß nicht, wie hoch hier die Sachen im Wert stehen.«
    »Dreitausend Franc, wenn du das zahlen kannst. Wenn du es nicht zahlen kannst, geh nächste Woche den Karabiner suchen und bring ihn mir, ich geb dir dafür das Boot.«
    »Nein, ich ziehe es vor, zu zahlen.«
    »Schön. Abgemacht. Mach uns Kaffee, Floh!«
    Floh ist der Kleine, der fast wie ein Zwerg aussieht. Er geht auf eine Stellage zu, die über dem Feuer an der Mauer angebracht ist, nimmt einen funkelnagelneuen Eßnapf herunter, gießt aus einer Flasche Kaffee hinein und stellt ihn aufs Feuer. Schon nach ein paar Augenblicken nimmt er ihn wieder vom Feuer, gießt etwas Kaffee in Viertelgläser, die neben den Steinen stehen, Allerheiligen bückt sich, reicht die Gläser den hinter ihm sitzenden Männern, und Floh reicht mir meinen Napf.«
    »Trink«, sagt er. »Brauchst keine Angst zu haben, dieses Geschirr ist nur für

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