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Papillon

Papillon

Titel: Papillon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henri Charrière
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Gäste bestimmt, kein Kranker darf daraus trinken.«
    Ich nehme das Gefäß und trinke. Dann stelle ich es auf mein Knie. In diesem Augenblick bemerke ich, daß an dem Napf ein Finger klebt.
    »Halt«, ruft Floh im selben Moment, »mir ist ein Finger abgefallen, wo zum Teufel ist er hin?«
    »Hier ist er«, sage ich und zeige auf den Eßnapf. Er nimmt den Finger herunter und wirft ihn ins Feuer. »Du kannst ruhig weitertrinken«, sagt er dann und reicht mir meinen Kaffee wieder, »ich habe nur trockene Lepra.
    Mir fällt nur ab und zu ein Glied ab, aber das ist nicht ansteckend, ich habe keine Geschwüre.« Ein Geruch von verbranntem Fleisch steigt mir in die Nase. Das muß der Finger sein, denke ich.
    »Du wirst den ganzen Tag über bleiben müssen«, sagt Allerheiligen, »abends setzt die Ebbe ein, teil das deinen Freunden mit. Bringt den Verletzten in eine Strohhütte, nehmt alles, was ihr im Boot habt, heraus und versenkt es. Helfen kann euch dabei niemand, du verstehst, warum.«
    Ich gehe schnell zu den beiden zurück, und wir bringen Clousiot in eine Strohhütte. Eine Stunde später haben wir alles aus der Piroge genommen und sorgfältig aufgereiht. Floh will, daß wir ihm die Piroge und ein Ruder zum Geschenk machen. Ich schenke ihm beides, und er versenkt es an einer ihm vertrauten Stelle.
    Die Nacht geht schnell herum. Wir liegen alle drei auf neuen Decken, die uns Allerheiligen in starkes Papier verpackt geschickt hat. Auf einer davon ausgestreckt, erzähle ich Clousiot und Maturette, was sich seit meiner Ankunft zugetragen hat. Auch die Sache von dem Boot, das ich eingehandelt habe.
    »Die ganze Geschichte kostet uns bereits sechstausendfünfhundert Franc«, sagt Clousiot. »Ich werde die Hälfte dazuschießen, Papillon, das heißt die dreitausend Franc, die ich besitze.« Ein blödes Wort unter Freunden in unserer Situation.
    »Wir brauchen nicht wie die Armenier zu handeln«, erwidere ich ihm. »Solang ich Geld habe, zahle ich. Dann werden wir weitersehen.«
    Kein Leprakranker kommt in die Hütte. Bei Tagesanbruch meldet sich Allerheiligen. »Guten Morgen. Ihr dürft ruhig ausgehen. Hier wird euch niemand belästigen. Von einer Kokospalme, oben auf der Insel, hält einer von uns Ausschau, ob Aufseher auf den Fluß hinausfahren. Es sind keine zu sehen. Solang das weiße Tuch weht, ist niemand in Sicht. Ihr könnt Papayas pflücken, wenn ihr wollt.«
    »Und der Kiel, Allerheiligen?«
    »Den machen wir aus Planken von der Krankenhaustür, sie ist aus schwerem Schlangenholz, zwei Planken genügen. Das Schiff ist schon gehoben, wir haben es noch während der Nacht auf das Plateau geschafft.
    Komm, sieh dir’s an!«
    Wir gehen. Es ist ein prachtvolles, fünf Meter langes Boot, ganz neu, mit zwei Bänken. In einer davon ist das Loch für den Mast. Es ist ein schweres Fahrzeug, und Maturette und ich müssen uns sehr plagen, um es umzulegen. Segel und Taue, alles blitzneu. Die Ladung, bei der sich auch ein Faß Wasser befindet, ist an seitlich angebrachten Ringen befestigt. Wir machen uns an die Arbeit. Mittags haben wir den Kiel, der sich nach vorne und nach hinten zu verdünnt, mit langen Schrauben und Schraubenbolzen montiert. Ein solides Stück Arbeit.
    Die Leprakranken stehen im Kreis um uns her und schauen uns stumm bei der Arbeit zu. Allerheiligen erklärt uns, wie man es macht, und wir tun, was er sagt. Allerheiligen hat kein Geschwür im Gesicht, das ganz normal wirkt, nur wenn er redet, merkt man, daß sich bloß die eine Gesichtshälfte, die linke, bewegt. Auch er leidet an trockener Lepra. Sein Rumpf und sein rechter Arm sind gelähmt, und er nimmt an, daß auch sein rechtes Bein bald lahm sein wird. Sein rechtes Auge ist starr wie ein Glasauge, er sieht damit, kann es aber nicht bewegen. Ich nenne die echten Namen der Kranken nicht, obwohl ich sie weiß, denn warum sollen die, die sie einmal gekannt oder geliebt haben, erfahren, wie furchtbar sie zu Lebzeiten entstellt wurden?
    Während der Arbeit unterhalte ich mich mit Allerheiligen. Die anderen schweigen. Nur einmal, als ich nach ein paar Scharnieren greifen will,
die
von einem Möbel des Krankenhauses abgenommen wurden, sagt einer: »Nimm sie noch nicht! Ich habe mich beim Herunternehmen geschnitten, es ist Blut daran.« Ein anderer kommt und schüttet Rum darüber, zündet ihn an. »So, jetzt kannst du sie verwenden«, sagt er.
    »Du bist doch schon öfter ausgebrochen«, sagt Allerheiligen zu einem von den Leuten, während wir weiterarbeiten.

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