Papillon
Gläubige sind. Wie ist das nun mit euch?«
»Wir warten darauf, nacheinander auf einem Öltanker eingeschifft zu werden.«
»Und? Wie viele sind auf diese Art bereits fort?«
»Noch keiner.«
»Hm. Was sagen Sie, Herr Kommandant? Antworten Sie bitte auf französisch, wenn Sie es gut genug sprechen.«
»Der Gouverneur, Exzellenz, hat allen Ernstes die Idee gehabt, den Männern auf diese Art zu helfen, aber ich muß gestehen, daß bis zum heutigen Tag noch kein Kapitän einen von den Leuten nehmen wollte, vor allem, weil sie keine Pässe haben.«
»Damit muß man den Anfang machen. Könnte ihnen der Gouverneur nicht Sonderpässe ausstellen?«
»Das weiß ich nicht. Er hat mit mir nie darüber gesprochen.«
»Ich werde übermorgen eine Messe für euch lesen. Wollt ihr morgen nachmittag beichten kommen? Ich möchte euch persönlich die Beichte abnehmen, um etwas dazu beizutragen, daß Gott euch eure Sünden vergibt. Wäre es möglich, mir die Männer morgen um drei Uhr in die Kathedrale zu schicken?«
»Ja. Ohne weiteres.«
»Ich hätte gerne, daß man sie in einem Taxi oder in einem Privat wagen hinbrächte.«
»Ich werde sie selbst hinbringen, Exzellenz«, sagt Doktor Naal.
»Danke, mein Sohn. Ich will euch keine Versprechungen machen, meine Kinder, außer daß ich mich bemühen werde, euch so nützlich wie möglich zu sein.«
Da Doktor Naal ihm den Ring küßt und nach ihm der Bretone, berühren auch wir alle mit unseren Lippen seinen bischöflichen Ring und begleiten ihn bis zu seinem im Hof geparkten Wagen.
Am nächsten Tag beichten wir alle bei ihm.
Ich bin der letzte.
»Nun, mein Sohn, fang gleich mit deiner schwersten Sünde an.«
»Zuerst, mein Vater, muß ich sagen, daß ich nicht getauft bin, aber ein Pfarrer im Gefängnis in Frankreich hat mir gesagt, getauft oder nicht, wir sind alle Kinder des einen lieben Gottes.«
»Er hatte recht. Und nun sind wir zwei beisammen, um zu beichten, und du wirst mir alles sagen.«
Ich erzähle ihm mit allen Einzelheiten mein Leben. Sehr geduldig, sehr aufmerksam und ohne mich zu unterbrechen, hört mir der Kirchenfürst zu. Er hat meine Hände in die seinen genommen und blickt mir oft in die Augen. Nur manchmal, bei etwas schwer zu gestehenden Stellen, senkt er den Blick, um mir mein Geständnis zu erleichtern. Dieser sechzigjährige Priester hat ein so reines Gesicht und so reine Augen, daß er etwas Kindliches ausstrahlt. Seine durchsichtige, gewiß unendlich gütige Seele leuchtet aus allen seinen Zügen, und sein hellgrauer Blick ist wie Balsam auf meine Wunden. Er hat meine Hände noch immer in den seinen. »Gott gibt seinen Kindern manchmal so viel menschliche Bosheit zu tragen, damit der, den er sich zum Opfer erwählte, so stark und edel daraus hervor-gehe wie nie. Siehst du, mein Sohn, wenn du nie diesen Kalvarienberg zu erklimmen gehabt hättest, hättest du dich nie so hoch erheben können, dich nie so intensiv der Wahrheit Gottes zu nähern vermocht. Besser gesagt: die Menschen, das System, das Triebwerk dieser schauerlichen Maschine, die dich zermürbt hat, diese grundschlechten Geschöpfe, die dich auf so verschiedene Weise gequält und geschädigt haben, haben dir einen großen Dienst erwiesen. Sie haben einen neuen Menschen in dir geweckt, der dem vorigen überlegen ist, und wenn du heute Sinn für Ehre, Güte, Barmherzigkeit hast und die nötige Energie, um alle Hindernisse zu überwinden und etwas Höheres, Besseres zu werden, dann dankst du es ihnen. Rachegedanken, dieses: Jedem nach dem Bösen, das er mir angetan, diese Sucht, zu vergelten, zu bestrafen, all das kann in einem Wesen, wie du es nun bist, nicht Wurzel schlagen. Du mußt ein Retter der Menschen sein, nicht leben, um deinerseits Böses zu tun, nicht einmal dann, wenn du es für gerechtfertigt hältst. Gott ist großmütig gegen dich gewesen, er hat dir gesagt:
›Hilf dir selbst, dann werde auch ich dir helfen.‹ Er hat dir in allem geholfen. Ja er hat dir sogar erlaubt, andere Menschen zu retten und sie in die Freiheit zu führen. Glaube vor allem nicht, daß die Sünden, die du begangen hast, allzu schwer sind. Es gibt viele Menschen in hohen sozialen Stellungen, die sich viel schlimmere Taten zuschulden kommen ließen als du. Nur hatten sie nicht wie du Gelegenheit, sich durch eine von der Justiz der Menschen auferlegte Strafe höherzuentwickeln.«
»Danke, mein Vater«, sage ich. »Sie haben mir für mein ganzes weiteres Leben sehr viel Gutes erwiesen. Ich werde es
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