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Papillon

Papillon

Titel: Papillon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henri Charrière
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einem Keilkissen aus Holz versehen sind, dienen als Betten.
    »Franzosen, Franzosen!« ruft ein Gefangener am Fenster, nachdem die Polizisten gegangen sind.
    »Was willst du?«
    »Franzose nicht gut, nicht gut!«
    »Nicht gut – was?«
    »Polizei.«
    »Polizei?«
    »Ja, Polizei nicht gut!« Und damit geht er.
    Es ist Nacht geworden. Der Saal ist mit einer schwachen elektrischen Lampe erhellt, Moskitos summen uns um die Ohren, setzen sich uns in die Nase.
    »Schön sind wir dran! Das kommt davon, daß wir diese Burschen mitgenommen haben!«
    »Das konnte kein Mensch ahnen. Die Windstille war daran schuld.«
    »Du bist zu nahe herangefahren«, sagt Clousiot.
    »Halt’s Maul. Es ist jetzt wirklich nicht der geeignete Augenblick für Beschuldigungen. Wir müssen zusammenhalten. Mehr denn je.«
    »Entschuldige, du hast recht, Papi. Niemand ist schuld daran.«
    Oh, es wäre zu ungerecht, wenn die Flucht hier so kläglich zu Ende ginge, wo wir so um einen guten Ausgang gekämpft haben! Wir sind nicht durchsucht worden. Ich habe meinen Stöpsel in der Tasche und beeile mich, ihn zweckentsprechend zu placieren. Clousiot tut dasselbe. Wie gut, daß wir die Dinger nicht weggeworfen haben! So ein Stöpsel ist übrigens eine sehr sichere wasserdichte Brieftasche, die man leicht bei sich tragen kann). Auf meiner Uhr ist es acht Uhr abends. Man bringt uns Rohzucker, für jeden einen faustgroßen Klumpen, und drei Päckchen in Salzwasser gekochte Reispastete. »Buenas noches!« – »Das heißt gute Nacht«, sagt Maturette. Um sieben Uhr früh erhalten wir im Hof ausgezeichneten Kaffee in Holzbechern. Gegen acht kommt der Kommandant durch. Ich bitte ihn, unsere Sachen aus dem Boot holen zu lassen. Aber er versteht nicht, oder tut wenigstens so. Je genauer ich ihn mir ansehe, desto mehr finde ich, daß er eine Mördervisage hat. Links am Gür-tel hat er in einem Lederetui eine kleine Flasche hängen. Er nimmt sie heraus, öffnet sie, trinkt einen Schluck, spuckt aus und streckt mir die Flasche hin. Um dieser ersten freundlichen Geste willen nehme ich die Flasche und trinke einen Schluck. Zum Glück nur einen kleinen, denn das Zeug schmeckt wie Brennspiritus. Ich würge es hinunter und fange zu husten an. Er lacht.
    Diese Kreuzung zwischen einem Indianer und einem Nigger lacht.
    Um zehn Uhr kommen mehrere Zivilisten in weißen Anzügen mit Krawatte. Sie gehen in ein Gebäude, das die Direktion des Gefängnisses zu sein scheint. Wir werden gerufen. Die Zivilisten sitzen alle im Halbkreis in einem Saal, der von einem großen Gemälde beherrscht wird, das einen Offizier in weißer Uniform mit vielen Orden darstellt: »Presidente Alfonso Lopez von Kolumbien«, steht auf einer Messingtafel am Rahmen. Einer der Herren bietet Clousiot einen Stuhl an und unterhält sich auf französisch mit ihm. Wir anderen bleiben stehen. Das magere Individuum in der Mitte, mit einer Nase wie ein Geierschnabel und einer Brille mit halben Gläsern, beginnt mich zu verhören. Der Dolmetsch übersetzt noch nichts, sondern sagt zu mir:
    »Der Herr, der Sie einvernimmt, ist der Richter der Stadt Rio Hacha. Die anderen sind Honoratioren, Freunde von ihm. Ich bin Übersetzer, stamme aus Haiti und bin Leiter der Elektrizitätswerke dieser Gegend. Ich glaube, daß sich unter den Herren ohnehin einige befinden, die Französisch sprechen, vielleicht sogar der Richter selbst.«
    Der Richter wird über dieser Einleitung ungeduldig. Er beginnt sein Verhör auf spanisch, und der Haitianer übersetzt seine Fragen und meine Antworten.
    »Sie sind Franzose?«
    »Ja.«
    »Woher kommen Sie?«
    »Aus Curacao.«
    »Wo waren Sie vorher?«
    »In Trinidad.«
    »Und vorher?«
    »In Martinique.«
    »Sie lügen. Unser Konsul ist vor mehr als einer Woche aus Cura?ao verständigt worden, die Küsten überwachen zu lassen, weil sechs entsprungene Sträflinge aus Frankreich bei uns zu landen versuchen.«
    »Schön. Wir sind entsprungene Sträflinge.«
    »Aus Cayenne also?«
    »Ja.«
    »Wenn ein so nobles Land wie Frankreich Sie so streng bestraft und so weit fortschickt, dann seid ihr doch sehr gefährliche Banditen?«
    »Vielleicht.«
    »Mord?«
    »Nein, Totschlag.«
    »Das ist dasselbe. Matadores seid ihr. Wo sind die andern?«
    »Sie sind in Curacao geblieben.«
    »Sie lügen schon wieder. Sie haben sie sechzig Kilometer von hier in einem Land abgesetzt, das Castillette heißt. Zum Glück wurden die Leute verhaftet, sie werden in wenigen Stunden hier sein. Haben Sie das Boot

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