Papillon
den Sie hier sehen, mir, bevor ich Ihnen begegnete, sagte, daß er, hinter einem Kaktus versteckt, gesehen hat, wie Sie in sein Haus gingen und wieder herauskamen. Der Mann ist ein Angestellter von mir, er betreut eine Herde Esel.«
»Und weil wir in das Haus hineingegangen sind, sind wir schon Diebe? Das ist Blödsinn, was Sie da sagen, mein Herr, wir haben nur Wasser getrunken, ist das Diebstahl?«
»Und der Beutel mit den Gulden?«
»Den Beutel habe ich aufgemacht, ja. Ich habe sogar beim öffnen die Schnur zerrissen. Doch ich habe mir nur das Geld angesehen, um zu erfahren, in welchem Land wir uns befinden. Ich habe es gewissenhaft wieder hineingetan und den Beutel dort hingelegt, wo er lag, auf die Kaminplatte.«
Der Kommissar blickt mir in die Augen, dann wendet er sich zu dem Mann auf dem Fahrrad um und redet scharf mit ihm. Doktor Naal will etwas einwenden, doch der Kommissar hindert ihn in deutscher Sprache daran, zu intervenieren. Der Kommissar läßt den Mann neben dem Chauffeur in seinen Wagen steigen, steigt, von zwei Polizisten begleitet, selber ein und fährt ab. Doktor Naal und ein zweiter Herr, der mit ihm gekommen ist, wenden sich uns zu.
»Ich muß Ihnen das erklären«, sagt Doktor Naal, »der Mann hat mir nämlich gesagt, daß der Geldbeutel verschwunden ist. Bevor er Sie durchsuchen wollte, hat der Kommissar ihn, in der Annahme, daß er lügt, verhört. Ich bin untröstlich über diesen Vorfall, wenn Sie unschuldig sind, aber ich kann nichts dafür.«
Es vergeht keine Viertelstunde, da ist der Wagen wieder da. Leer.
»Sie haben die Wahrheit gesprochen«, wendet sich der Kommissar an mich. »Dieser Mann ist ein unverschämter Lügner. Man wird ihn bestrafen, weil er Sie schädigen wollte.«
Doktor Naal hat sich indessen in den »Grünen Heinrich« gesetzt, in den nun auch die fünf anderen einsteigen. Als ich dazusteigen will, hält mich der Kommissar zurück und sagt: »Nehmen Sie in meinem Wagen neben dem Chauffeur Platz.« Wir fahren vordem Polizeiwagen ab und haben ihn sehr bald aus den Augen verloren. Über gut asphaltierte Straßen geht es in die Stadt, deren Häuser alle in holländischem Stil erbaut sind. Alles ist sehr sauber, und der größte Teil der Bevölkerung fährt Rad. Hunderte von Menschen rollen auf ihren Fahrrädern in die Stadt hinein und aus ihr wieder heraus.
Wir betreten die Polizeistation. Durch einen großen Büroraum, in welchem mehrere Polizisten in weißer Uniform an ihren Schreibtischen sitzen, gelangen wir in ein Zimmer mit Klimaanlage Hier ist es angenehm kühl. Ein großer, kräftiger blonder Mann, so um die Vierzig, sitzt in einem Armsessel. Er erhebt sich und unterhält sich auf holländisch mit dem Kommissar.
»Ich stelle Sie hier dem Ersten Polizeikommandanten von Curacao vor«, sagt der Kommissar dann auf französisch. »Herr Kommandant, dieser Mann hier ist Franzose, der Chef einer Gruppe von sechs Männern, die wir verhaftet haben.«
»Danke, Herr Kommissar. Seien Sie als Schiffbrüchige in Cura9ao willkommen. Wie heißen Sie?«
»Henri.«
»Schön, Henri. Man hat Ihnen durch die Sache mit dem Geldbeutel ein paar unangenehme Augenblicke bereitet, aber es war auch ein Vorteil dabei, denn wir haben jetzt den Beweis, daß Sie ein ehrlicher Mensch sind. Ich werde Sie in einem großen, hellen Raum mit Bettstellen unterbringen, damit Sie sich ausruhen können. Wir werden Ihren Fall dem Gouverneur unterbreiten, der dann entscheiden wird, was weiter geschehen soll. Der Kommissar und ich werden für Sie sprechen.« Er reicht mir die Hand, und wir gehen. Im Hof entschuldigt sich Doktor Naal bei mir und verspricht mir, für uns zu intervenieren. Zwei Stunden später sind wir alle sechs in einem sehr großen Zimmer mit einem Dutzend Betten eingeschlossen. Ein langer Holztisch mit Bänken steht in der Mitte. Mit den Dollars aus Trinidad bitten wir durch das vergitterte Fenster einen farbigen Polizisten, uns Tabak, Zigarettenpapier und Zünder zu besorgen. Er nimmt unser Geld nicht; was er sagt, verstehen wir leider nicht.
»Dieser uniformierte Nigger buckelt wie ein Lakai«, sagt Clousiot, »aber Tabak bringt er uns keinen.« Ich gehe zur Tür und klopfe. Sie wird sofort geöffnet. Ein kleiner Mann, Typ Kuli, mit einem grauen Anzug, Typ Gefangener, und einer Nummer auf der Brust, damit man ihn nicht verwechselt, sagt zu uns: »Geld Zigaretten?« – »Nein«, sage ich. »Tabak, Zünder und Papier.« Er kommt wenige Minuten später mit dem Gewünschten und
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