Papillon
gestohlen?«
»Nein, der Bischof von Curacao hat es uns zum Geschenk gemacht.«
»Gut. Sie werden hier als Gefangene bleiben, bis der Gouverneur entschieden hat, was mit euch geschehen soll. Dafür, daß ihr eure drei Komplizen auf kolumbischem Boden abgesetzt und dann versucht habt, wieder in See zu stechen, verurteile ich den Kapitän des Bootes zu drei Monaten, die beiden andern zu je einem Monat Gefängnis. Wenn ihr nicht von den Polizisten, die ziemlich harte Männer sind, gezüchtigt werden wollt, müßt ihr euch gut führen. Habt ihr etwas dagegen zu sagen?«
»Nein. Ich möchte nur meine Sachen und die Lebensmittel, die sich an Bord des Bootes befinden, holen.«
»Alles das ist, bis auf eine Hose, ein Hemd, eine Jacke und ein Paar Schuhe für jeden, von der Zollbehörde konfisziert. Widersetzt euch nicht, es ist gar nichts zu machen, das Gesetz verlangt es so.«
Wir kehren hinter den Zivilisten in den Hof zurück. Der Richter wird von den armen einheimischen Gefangenen bestürmt: »Herr Doktor! Herr Doktor!« Er geht im Gefühl seiner Wichtigkeit, ohne anzuhalten oder sonstwie zu reagieren, an ihnen vorbei. Die Herren verlassen das Gefängnis.
Um ein Uhr mittags kommen in einem Wagen mit sieben oder acht Bewaffneten die drei andern. Sie steigen ganz belämmert, mit ihren Koffern in der Hand, aus. Wir gehen mit ihnen in den Saal.
»Was für einen schauerlichen Irrtum haben wir begangen«, sagt der Bretone finster. »Was haben wir euch angetan! Es ist durch nichts zu entschuldigen, Papillon. Wenn du mich umlegen willst – bitte. Ich werde mich nicht wehren. Wir sind alle keine Männer mehr, wir sind Hasenfüße geworden. Aus Angst vor dem Meer haben wir das gemacht. Aber verglichen mit dem, was uns jetzt in Kolumbien blüht, ist die See das reine Kinderspiel. Wir wissen bereits einiges von den Burschen da … War die Windstille daran schuld, daß man euch erwischt hat?«
»Ja, Bretone. Ich werde keinen von euch umlegen, es war unser aller Irrtum. Ich hätte ja nur abzulehnen brauchen, daß ihr von Bord geht, und gar nichts wäre passiert.«
»Du bist viel zu gut, Papi.«
»Nein, ich bin nur gerecht.« Und dann erzähle ich ihnen von dem Verhör. »Vielleicht läßt uns der Gouverneur in Freiheit setzen.«
»Was du nicht sagst! Hoffen wir! Hoffnung erhält am Leben.«
Meiner Meinung nach können die Behörden dieses halbzivilisierten Landes in unserem Fall gar keine Entscheidungen treffen. Nur höheren Ortes kann entschieden werden, ob wir in Kolumbien bleiben dürfen, ob wir Frankreich ausgeliefert oder ob wir auf unser Boot zurückgeschickt werden und weiterfahren dürfen.
Es müßte ja rein mit dem Teufel zugehen, wenn dieses Volk, dem wir nicht das geringste getan haben, die härteste von allen drei Entscheidungen träfe!
Wir sind bereits eine Woche hier. Keine Veränderung. Man spricht nur davon, daß man uns unter guter Bewachung nach Santa Marta, einer größeren Stadt, zweihundert Kilometer von hier, schicken will. Die Polizisten, diese Seeräuberfiguren, ändern ihre miserable Haltung gegen uns in keiner Weise. Gestern hätte nicht viel gefehlt, und ich hätte von einem von ihnen einen Stoß mit dem Gewehr erhalten, nur weil ich im Waschraum meine Seife wieder an mich genommen hatte. Wir sind noch immer in dem widerlichen Saal voller Moskitos, dank Maturette und dem Bretonen, die täglich aufwaschen, ist der Raum etwas sauberer geworden. Ich fange an mutlos zu werden. Ich verliere jedes Vertrauen zu dieser kolumbischen Rasse, dieser Mischung aus Indianern und Negern und aus Indianern und den Spaniern, die in alten Zeiten das Land beherrschten. Von einem kolumbischen Gefangenen habe ich eine alte Zeitung aus Santa Marta bekommen. Auf der ersten Seite: unsere sechs Photos, darunter das des Polizeikommandanten, mit einem riesigen Filzhut auf dem Schädel und einer Zigarre im Mund, und ein Photo von zehn mit Maschinengewehren bewaffneten Polizisten. Man hat unsere Gefangennahme ganz schön dramatisiert, so als wäre ganz Kolumbien durch unsere Verhaftung vor einer furchtbaren Gefahr bewahrt worden. Dabei sind die Photos der Banditen viel sympathischer als das der zehn Polizisten. Die Banditen sehen anständigen Leuten viel ähnlicher als sie, den Kommandanten nicht ausgenommen. Aber wir sitzen fest. Sind in ihrer Hand. Was tun? Ich beginne ein paar Worte Spanisch zu lernen: fliehen – fugarse; Gefangener – preso; töten – matar; Fesseln – esposas; Mann – hombre; Frau –
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