Papillon
ihm einen Indianerkopfschmuck mit Federn darauf gemacht. Er ist entzückt und gibt mir zu verstehen, daß ich niemanden tätowieren darf, ehe ich ihm nicht noch eine große Tätowierung auf die Brust gemacht habe. Er möchte den gleichen Tigerrachen haben wie ich, mit großen Zähnen darin. Ich muß lachen, denn ich weiß nicht, ob ich gut genug zeichnen kann, um einen so schönen Rachen fertigzubringen. Lali hat mich am ganzen Körper enthaart. Kaum entdeckt sie ein Haar an mir, so reißt sie es auch schon aus und reibt mich mit Meeralgen ein, die sie zerdrückt und mit Asche gemischt hat. Die Haare wachsen davon weniger stark nach, kommt mir vor.
Der Indianerstamm heißt Goajira. Er bewohnt die Küste und die Ebene im Landinneren bis an den Fuß der Berge. In den Bergen lebt ein anderer Stamm, die Motilonen. Ein paar Jahre später bekam ich es mit ihnen zu tun. Die Goajiros haben, wie ich schon sagte, nur indirekt Kontakt mit der Zivilisation. Die an der Küste lebenden vertrauen ihre Perlen und ihre Schildkröten dem weißen Indianer an. Die Schildkröten, die oft bis zu hundertfünfzig Kilo schwer sind, werden lebend geliefert. Sie erreichen jedoch nie das Gewicht und die Größe der Schildkröten des Orinoko oder Maroni, die bis zu vierhundert Kilo wiegen können und deren Rückenpanzer oft zwei Meter lang und an der breitesten Stelle über einen Meter breit wird. Auf den Rücken gelegt, können sich diese Tiere nie wieder von selbst auf die Beine stellen. Doch habe ich welche gesehen, die drei Wochen, ohne zu essen und zu trinken, auf dem Rücken lagen und immer noch lebten. Auch die großen grünen Eidechsen sind sehr gut zu essen. Ihr Fleisch schmeckt köstlich, ist weiß und zart, und auch ihre Eier, im Sand von der Sonne gekocht, schmecken sehr fein. Nur ihr Anblick verlockt wenig dazu, sie zu versuchen.
Jedesmal wenn Lali fischt, bringt sie die Perlen nach Hause, die sie bekommt, und gibt sie mir. Ich lege sie, große, mittlere und kleine durcheinander, in eine Holzschale. Nur zwei rosa Perlen, drei schwarze und sieben metallgraue von ungewöhnlicher Schönheit habe ich extra in eine leere Streichholzschachtel gelegt.
Ich besitze auch eine große Barockperle in Form einer Bohne, so groß wie die weißen und roten Bohnen bei uns daheim. Die Perle hat drei Farbschichten übereinander, die je nach dem Wetter – bald diese, bald jene besonders hervortreten: eine schwarze Schicht, eine stahlgraue, die ins Bräunliche geht, und eine silbrige mit einem rosa Schimmer. Den Perlen und den Schildkröten verdankt der Stamm, daß es ihm an nichts fehlt.
Nur haben sie vieles, was sie gar nicht brauchen können, und manches Nützliche geht ihnen ab. So gibt es zum Beispiel im ganzen Stamm keinen einzigen Spiegel. Erst als ich auf ein kleines Boot stieß, das zweifellos von einem Schiffbruch herrührte, entdeckte ich darin eine viereckige Metallplatte, vierzig Zentimeter im Quadrat und auf einer Seite vernickelt, und jetzt erst konnte ich mich endlich rasieren und mich einmal betrachten.
Die Politik, die ich gegenüber meinen Freunden übe, ist einfach. Ich tue nichts, was die Autorität und das Wissen des Häuptlings beeinträchtigen könnte, noch weniger das eines sehr alten Indianers, der nur vier Kilometer tiefer im Innern lebt, umgeben von Schlangen, zwei Ziegen und einem Dutzend Schafen. Er ist der Zauberer der verschiedenen Indianeransiedlungen. Und es ist auch niemand je eifersüchtig auf mich, niemand schaut mich mit scheelen Augen an. Nach zwei Monaten werde ich von allen ohne Ausnahme anerkannt. Der Zauberer hat auch rund zwanzig Hühner. Da niemand in den beiden Ansiedlungen, die ich kenne, Ziegen, Hühner und Schafe hat, muß es das Privileg des Zauberers sein, Haustiere halten zu dürfen.
Jeden Morgen geht eine andere Indianerin mit einem Korb auf dem Kopf zu ihm, um ihm Fische und Muscheln zu bringen. Auch frische Maiskuchen, die morgens auf Steinen, von Feuer umlodert, geröstet werden. Manchmal, nicht immer, kommen sie mit Eiern und saurer Milch zurück. Wenn der Zauberer meinen Besuch wünscht, schickt er mir persönlich drei Eier und ein schön poliertes Holzmesser. Lali begleitet mich den halben Weg und wartet im Schatten eines hohen Kaktus auf mich.
Der alte Indianer lebt in einem abstoßend schmutzigen Zelt aus Kuhhaut, deren Fellseite nach innen schaut.
Auf drei Steinen in der Mitte brennt ständig ein Feuer. Der Mann schläft nicht in einer Hängematte, sondern in einem Bett aus Zweigen,
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