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Papillon

Papillon

Titel: Papillon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henri Charrière
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mehr als einen Meter über dem Boden. Das Zelt ist ziemlich groß, hat zirka zwanzig Quadratmeter Bodenfläche und wird nur an der Windseite von ein paar Zweigen geschützt. Zwei von den Schlangen des Zauberers habe ich gesehen. Eine ist fast drei Meter lang und dick wie ein Arm, die andere ist nur einen Meter lang und hat ein gelbes V auf dem Kopf. Die Schlangen müssen doch etwas wie Hühner und Eier fressen, überlege ich mir. Ich verstehe nicht, wie Ziegen, Hühner, Schafe und auch der Esel gemeinsam unter diesem Zelt Schutz finden.
    Der alte Indianer sieht prüfend meine Kleider an, läßt mich die Hose ausziehen, die Lali in Shorts verwandelt hat, und nackt wie ein Wurm muß ich mich auf einen Stein am Feuer setzen. Er legt grüne Blätter ins Feuer, die stark qualmen und nach Minze duften. Ich bin von dichtem Rauch umgeben, muß aber kaum husten und warte, was in den nächsten Minuten geschehen wird. Der Alte verbrennt meine Hose und gibt mir zwei indianische Hüfttücher, eines aus Hammelfell und eines aus Schlangenhaut, das weich wie ein Handschuh ist. Er streift mir ein Armband aus geflochtenem Ziegen-, Hammel- und Schlangenleder über den Arm, es ist zehn Zentimeter breit und wird mit einem Schlangenlederriemen geschlossen, den man zusammenzieht oder lockert.
    Der Zauberer hat nur noch fünf Zähne, drei im Unterkiefer, zwei oben in der Mitte. Gesicht und Hals sind eingeschrumpft und unsagbar runzelig. Genauso faltig ist die Haut seiner Lider; wenn er die Augen schließt, bilden sie zwei runde Hautbündel. Seine Augen sind geschlitzt und mandelförmig wie die aller Indianer, von Wimpern und Brauen ist kein Härchen mehr vorhanden, aber das sauber geschnittene Haar ist noch tiefschwarz und fällt ihm bis auf die Schultern herab. Die Stirn ist hinter Fransen verborgen. Am linken Fußknöchel hat der Zauberer ein Geschwür, so groß wie ein Zweifrancstück. Es ist ständig von Mücken bedeckt. Hin und wieder verjagt er sie und bestreut die Wunde, damit sie ihn etwas weniger belästigen, mit Asche.
    Er hat mich also durch die Zeremonie in die Gemeinschaft des Dorfes aufgenommen. Ich will gehen. Aber da winkt er mir und überreicht mir zum Abschied ein Holzmesser, kleiner als jenes, das er mir bisher geschickt hat, sooft er mich sehen wollte. Lali erklärt mir später, daß ich ihm das kleine Messer schicken muß, wenn ich ihn meinerseits zu besuchen wünsche. Ist er einverstanden, wird er mir das große senden.
    Ich gehe, und mein nackter Hintern bereitet mir Unbehagen. Ich komme mir komisch vor. Doch das gehört schließlich auch zur Flucht! Mit den Indianern ist nicht zu scherzen, und die Freiheit ist immerhin ein paar Unbequemlichkeiten wert. Lali sieht das Hüfttuch und lacht, daß man alle ihre Zähne sieht, die so schön sind wie die Perlen, die sie fischt. Sie mustert das Armband und das Hüfttuch aus Schlangenhaut. Und sie beschnuppert mich, ob ich gut im Rauch gesessen bin. Das scheint sehr wichtig zu sein.
    Ich habe mich an das neue Leben gewöhnt und merke, daß ich nicht mehr lange so leben darf, sonst kommt es so weit, daß ich nicht mehr fortgehen will. Lali beobachtet mich. Sie hätte gerne, daß ich aktiveren Anteil am Leben der Gemeinschaft nähme. Sie weiß, daß ich sehr gut rudere und mit dem kleinen leichten Boot recht geschickt umgehen kann. Von da bis zu dem Wunsch, daß ich das Boot lenke, wenn sie Perlen fischt, ist es nicht weit. Aber ich möchte das nicht. Lali ist die beste Taucherin unter den Mädchen des Dorfes, es ist immer ihr Boot, das die meisten und größten Muscheln heimbringt, denn sie fischt tiefer als die anderen. Ich weiß auch, daß der junge Fischer, der ihr Boot steuert, der Bruder des Häuptlings ist. Wenn ich allein mit Lali hinausfahre, würde ich ihm unrecht tun, und das darf ich nicht. Wenn Lali mich nachdenklich werden sieht, geht sie und holt ihre Schwester. Die kommt dann immer fröhlich angelaufen und betritt das Haus durch meine Tür. Das muß etwas Wichtiges zu bedeuten haben. Sie kommen zusammen an die große Tür, die dem Meer zugewendet liegt, trennen sich vor ihr, und Lali läuft schnell um das Haus, um durch ihre Tür einzutreten, während Zoraima, so heißt die Kleine, durch meine Tür geht. Zoraimas Brüste sind kaum größer als Mandarinen, und ihr Haar ist nicht lang. Es ist rechtwinkelig in Kinnhöhe abgeschnitten, die Stirnfransen reichen ihr fast bis zu den Augenlidern. Jedesmal wenn sie so von ihrer Schwester gerufen kommt, baden sie beide.

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