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Papillon

Papillon

Titel: Papillon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henri Charrière
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werden.
    Ich hoffe, daß du, Zato, dich ihrer erinnern wirst, wenn man sie vernachlässigen sollte. Ich bitte dich, daß, abgesehen von deiner persönlichen Wachsamkeit, ein Mann namens Usli meine Familie Tag und Nacht beschützt. Ich habe euch alle sehr geliebt und werde euch immer lieben. Ich werde alles tun, um so schnell wie möglich zurückzukehren. Wenn ich bei der Erfüllung meiner Aufgabe sterben sollte, werden meine Gedanken im Augenblick des Todes bei Lali und Zoraima und bei meinen Kindern sein, und bei euch Goajiros, allen, die ihr meine Familie seid.«
    Gefolgt von Lali und Zoraima kehre ich in meine Hütte zurück. Ich ziehe mich an, Hemd, Khakihose, Strümpfe, Halbstiefel.
    Stundenlang noch habe ich den Kopf bald hierhin, bald dorthin gewendet, um Stück für Stück noch einmal das Dorf in mich aufzunehmen, in welchem ich sechs Monate zugebracht habe. Dieser von allen Weißen, aber auch von den Indianern anderer Gegenden so gefürchtete Stamm der Goajiros ist für mich ein Hafen gewesen, in dem ich aufatmen konnte, eine Zuflucht ohnegleichen vor der Bosheit der Menschen. Ich habe dort Liebe, Frieden, Ruhe und Großmut gefunden. Lebt wohl, Goajiros, wilde Indianer der kolumbisch-venezolanischen Halbinsel! Euer großes Territorium ist glücklicherweise unumstritten und frei von jeder Einmischung der beiden Zivilisationen, die es umgeben. Eure unverdorbene Art, zu leben und euch zu verteidigen, hat mich etwas sehr Wichtiges für die Zukunft gelehrt: daß es besser ist, ein wilder Indianer zu sein als ein Rechtsverdreher.
    Lebt wohl, Lali und Zoraima, ihr wunderbaren, unvergleichlichen Mädchen, ihr Naturwesen ohne Berechnung, die ihr im Augenblick des Abschieds mit selbstverständlicher Geste alle Perlen, die sich in der Hütte befanden, für mich in einen kleinen Leinenbeutel fülltet. Ich werde zurückkehren, das ist gewiß – aber wann? Und wie? Das weiß ich nicht. Aber ich verspreche euch, daß ich komme.
    Gegen Ende des Nachmittags besteigt Zorillo sein Pferd, und wir brechen nach Kolumbien auf. Ich habe einen Strohhut auf und marschiere los, mein Pferd am Zügel. Alle Indianer des Stamms, ohne Ausnahme, verbergen das Gesicht unter dem linken Arm und strecken mir den rechten entgegen. Damit wollen sie mir zeigen, daß sie mich nicht weggehen sehen wollen, daß es ihnen Schmerz bereitet, und sie strecken den Arm aus, um mich zurückzuhalten. Lali und Zoraima begleiten mich fast hundert Meter weit. Ich dachte, sie wollen mir noch einen letzten Kuß geben. Aber sie laufen plötzlich schreiend in Richtung unseres Hauses davon und sehen sich nicht mehr um.

Fünftes Heft: Zurück in die Zivilisation
Das Gefängnis von Santa Marta
    Aus dem Indianergebiet Goajira herauszukommen ist nicht schwierig. Wir passieren den Posten von La Vela ohne Zwischenfall. Zu Pferd können wir die Strecke, für die ich mit Antonio so lang brauchte, in zwei Tagen zurücklegen. Aber es sind nicht nur die äußerst gefährlichen Grenzposten, was mir zu schaffen macht, sondern auch die hundertzwanzig Kilometer bis nach Rio Hacha, dem Dorf, von wo ich entsprungen bin.
    In Begleitung von Zorillo erlebe ich in einer Herberge, wo man zu essen und zu trinken bekommt, meine erste Unterhaltung mit einem Bürger Kolumbiens. Ich habe mich gar nicht schlecht aus der Affäre gezogen, wie mir Zorillo versicherte, und mein Gestotter trug viel dazu bei, meinen Akzent und meine schlechten Sprachkenntnisse zu verschleiern.
    Auf der Straße nach Santa Marta muß mich Zo rillo auf halbem Weg verlassen, er muß noch am selben Vormittag wieder im Landinneren sein, bei seinen Geschäften.
    Wir haben beschlossen, daß er mein Pferd mitnimmt. Wirklich, ein Pferd haben hieß ein Domizil haben, heißt zu einer bestimmten Ortschaft gehören und riskieren, auf so lästige Fragen wie: »Kennen Sie Herrn Sowieso?«, »Wie heißt der Bürgermeister?«, »Was macht Madame X?«, »Wem gehört die Fonda dort?«
    antworten zu müssen. Nein, es wird schon besser sein, wenn ich zu Fuß weitergehe, mit einem Lastwagen oder Autobus fahre, und später, von Santa Marta weg, mit dem Zug. Ich muß für alle ein »Forastero« bleiben in dieser Region, ein Fremder, der irgendwo irgendwas arbeitet.
    Zorillo hat mir drei Goldstücke zu hundert Pesos gewechselt. Er hat mir tausend Pesos gegeben. Ein guter Handwerker verdient acht bis zehn Pesos im Tag. Ich habe also etwas, um mich eine Zeitlang über Wasser zu halten. Nur das. Ich erklettere einen Lastwagen, der in die

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