Papillon
hast.«
Wir haben bei Zorillo übernachtet. Es war eine köstliche, zärtliche, süße Nacht. Im Gemurmel und Geflüster dieser beiden Naturkinder lagen so wissende Töne der Liebe, daß ich tief gerührt war. Langsam, um Zoraima zu schonen, sind wir zu Pferd wieder nach Hause zurückgekehrt, alle drei. Acht Tage nach dem ersten Mond darf ich aufbrechen, sagt Lali, denn sie will mir mit Sicherheit sagen, ob sie endlich auch schwanger geworden ist. Sie hat seit dem letzten Mond kein Blut mehr verloren, aber sie hat Angst, sich vielleicht doch zu täuschen. Aber wenn sie auch nach diesem Mond kein Blut mehr verliert, dann wächst ein Kind in ihrem Bauch. Zorillo muß alle meine Kleidungsstücke herbringen, sagt sie, ich darf mich erst ankleiden, nachdem ich auf Guajiroart gesprochen habe, das heißt nackt. Am Abend vorher müssen wir dann alle drei zum Zauberer gehen. Er muß uns sagen, ob wir meine Tür im Haus verschließen müssen oder offenstehen lassen sollen …
Die langsame Rückkehr aus Rücksicht auf Zoraima war durchaus nicht traurig. Sie nehmen lieber bewußt ihr Schicksal auf sich, als vor den Männern und Frauen ihres Dorfes verlassen und lächerlich dazustehen.
Wenn Zoraima ihr Kind hat, will sie auch einen Fischer aufnehmen, um viele Perlen zu bekommen, die sie mir alle aufheben will. Lali will jeden Tag viel länger fischen, schon um beschäftigt zu sein. Ich bedaure, nicht mehr als ein Dutzend Worte von ihrer Sprache erlernt zu haben, ich hätte ihnen so viel zu sagen, was man über einen Dolmetscher nicht mitteilen kann.
Wir kommen an. Als erstes müssen wir Zato aufsuchen, um ihm begreiflich zu machen, warum wir fortgeritten sind, ohne ihm ein Wort davon zu sagen. Zato ist ebenso großmütig wie sein Bruder. Noch ehe ich zu sprechen beginne, legt er mir die Hand um den Hals und sagt: »Uilu! – Schweige!« In zwölf Tagen ist Neumond. Wenn ich die acht Tage, die ich danach noch warten muß, dazurechne, werde ich in zwanzig Tagen wieder unterwegs sein.
Ich sehe mir zum hundertstenmal die Karte an, ändere Verschiedenes und überdenke, was Justo mir sagte.
Wo werde ich glücklicher sein als hier, wo alle mich lieben? Werde ich mich nicht ins Unglück stürzen, wenn ich in die Zivilisation zurückkehre? Nur die Zukunft wird es mir zeigen …
Die drei Wochen sind wie ein Zauber vergangen. Lali hat den Beweis, daß sie schwanger ist, und so werden zwei oder drei Kinder meine Rückkehr erwarten. »Wieso drei?« frage ich. Sie sagt) daß ihre Mutter zweimal Zwillinge gehabt hat. Wir sind zu dem Zauberer gegangen. Nein, die Tür darf nicht verschlossen werden. Wir dürfen nur einen Zweig quer darüber legen. Die Hängematte, auf der wir drei liegen, muß an die Decke der Hütte gespannt werden. Lali und Zoraima müssen immer zusammen schlafen, denn sie sind eins. Dann befiehlt er uns, uns ans Feuer zu setzen, legt grüne Blätter auf und hüllt uns länger als zehn Minuten in Rauch. Dann sind wir nach Hause zurückgekehrt, um Zorillo zu erwarten, der tatsächlich noch am selben Abend kommt. Die ganze Nacht saßen wir um ein Feuer vor unserer Hütte. Ich habe jedem der Indianer durch Zorillo, der es übersetzte, ein freundliches Wort gesagt, und jeder antwortete etwas. Bei Sonnenaufgang habe ich mich mit Lali und Zoraima zurückgezogen. Den ganzen Tag liebten wir uns.
Zoraima kletterte auf mich, um mich besser in sich zu fühlen, und Lali umfing mich wie fesselnder Efeu mit ihrem Schoß, in dem es klopfte wie ein Herz.
Am Nachmittag breche ich auf. Zorillo macht den Dolmetscher. »Zato, großer Häuptling dieses Stammes«, sage ich, »der mich aufgenommen und mir alles gegeben hat, ich muß dich bitten, zu erlauben, euch für viele Monde zu verlassen.«
»Warum willst du von deinen Freunden fort?«
»Weil ich die bestrafen muß, die mich verfolgt haben wie ein Tier. Dank deiner Aufnahme habe ich hier im Schutz deines Dorfes gelebt, bin glücklich gewesen, habe gut zu essen gehabt, noble Freunde gefunden und Frauen, die mir die Brust mit Sonne erfüllten. Doch das darf einen Mann wie mich nicht in ein Tier verwandeln, das, weil es eine warme Zuflucht gefunden hat, sein Leben lang darin bleibt, aus Angst, leiden zu müssen. Ich werde meinen Feinden kühn entgegengehen, werde zu meinem Vater gehen, der mich braucht. Ich lasse hier in meinen Frauen Lali und Zoraima und in den Kindern, der Frucht unserer Verbindung, meine Seele zurück. Meine Hütte gehört ihnen und meinen Kindern, die dort geboren
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