Papillon
Nähe von Santa Marta fährt, einen wichtigen Hafen, ungefähr hundertzwanzig Kilometer von der Stelle entfernt, wo mich Zorillo verlassen hat. Der Laster soll irgendwo Ziegen und anderes Viehzeug abholen.
Alle sechs bis zehn Kilometer stoßen wir auf eine Taverne, wo der Chauffeur hält und aussteigt. Er lädt mich ein. Er lädt mich ein, aber bezahlen muß ich. Und jedesmal trinkt er fünf bis sechs Gläser Schnaps. Ich tue, als würde ich mitmachen. Nach einer Fahrt von fünfzig Kilometer ist er vollkommen besoffen. Er ist so blau, daß er sich in der Straße irrt und auf einem kotigen Weg landet, wo der Wagen versinkt und nicht mehr heraus kann. Den Kolumbier regt das nicht weiter auf. Er legt sich hinten in den Wagen und bietet mir an, vorne in seiner Lenkerkabine zu schlafen. Ich weiß nicht, was ich machen soll. Es müssen noch ungefähr vierzig Kilometer bis Santa Marta sein. In Gesellschaft des Kolumbiers war ich dagegen gefeit, viel gefragt zu werden, und kam trotz der vielen Aufenthalte schneller vorwärts als zu Fuß.
Gegen Morgen beschließe ich, endlich zu schlafen. Es wird bereits hell, es ist fast sieben Uhr. Da kommt ein von Pferden gezogener Karren daher. Der Laster versperrt ihm den Weg. Man hält mich für den Chauffeur und weckt mich. Ich spiele stotternd den Verschlafenen, der nicht weiß, was los ist und wo er sich befindet.
Der Chauffeur, der aufgewacht ist, debattiert mit dem Kutscher. Nach mehreren Versuchen, den Laster aus dem Dreck zu ziehen, gibt man es auf. Er ist bis zur Achse eingesunken, nichts zu machen. In dem Karren sitzen zwei schwarzgekleidete Nonnen, mit Flügelhauben, und drei kleine Mädchen. Nach einigen Auseinandersetzungen machen sich die beiden Männer daran, einen Teil des Gebüsches zu roden, damit der Karren, der nur mit einem Rad auf der Straße steht, auf dem gerodeten Streifen die miserable, zwanzig Meter lange Stelle passieren kann.
Die Männer schneiden mit ihrer Machete, einem Werkzeug zum Schneiden des Zuckerrohrs, das hier jeder bei sich hat, alles ab, was sie stört, und ich verteile es über den Weg, damit es nicht so hoch ist und der Karren nicht auch im Kot versinkt. Nach ungefähr zwei Stunden sind wir soweit. Die beiden Nonnen bedanken sich bei mir und fragen, wohin ich fahre.
»Nach Santa Marta«, sage ich.
»Aber da sind Sie nicht auf dem richtigen Weg, Sie sollten mit uns fahren. Wir bringen Sie fast bis nach Santa Marta. Von dort haben Sie nur noch acht Kilometer.«
Ich kann unmöglich ablehnen. Freilich, ich hätte sagen können, daß ich bei dem Chauffeur bleiben will, um ihm zu helfen, aber angesichts der Schwierigkeiten einer so langen Erklärung ziehe ich es vor, einfach »Danke« zu sagen.
Und schon sitze ich hinten, bei den drei kleinen Mädchen im Karren. Die beiden Nonnen sitzen neben dem Kutscher.
Wir fahren ab und haben rasch den Umweg von fünf oder sechs Kilometer aufgeholt, den der Chauffeur irrtümlich gemacht hat. Auf der richtigen Straße angelangt, legen wir ein gutes Tempo vor und halten um die Mittagszeit an einer Herberge, um zu essen. Die drei kleinen Mädchen sitzen mit dem Kutscher zusammen an einem Tisch, die beiden Nonnen und ich an dem daneben. Die Nonnen sind jung, zwischen fünfundzwanzig und dreißig. Ihre Haut ist sehr weiß. Die eine ist Spanierin, die andere Irländerin.
»Sie sind nicht von hier, nicht wahr?« fragt die Irländerin leise.
»Doch, ich bin aus Baranquilla.«
»Nein, Sie sind kein Kolumbier. Ihr Haar ist viel zu hell and ihr Teint nur deshalb so dunkel, weil er von der Sonne gebräunt ist. Woher kommen Sie denn?«
»Aus Rio Hacha.«
»Was haben sie da unten gemacht?«
»Elektriker.«
»Ach! Ich habe einen Freund in den Elektrizitätswerken. Er heißt Perez und ist Spanier. Kennen Sie ihn?«
»Ja.«
»Das freut mich!«
Gegen Ende der Mahlzeit stehen sie alle auf, um sich die Hände waschen zu gehen. Die Irländerin kommt allein zurück. Sie schaut mich an und sagt auf französisch: »Ich werde Sie nicht verraten, aber meine Kollegin sagt, daß sie in einer Zeitung Ihr Bild gesehen hat. Sie sind der Franzose, der aus dem Gefängnis von Rio Hacha entsprungen ist, nicht wahr?«
Es zu leugnen wäre noch umständlicher gewesen.
»Ja, Schwester. Ich bitte Sie, zeigen Sie mich nicht an! Ich bin nicht so schlimm, wie man mich schildert. Ich liebe Gott und respektiere ihn.«
Die Spanierin kommt zurück, und die Irländerin deutet ihr: »Ja.« Die Spanierin antwortet schnell etwas, das ich
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