Papillon
Kühe und Ochsen haben, so viele du willst.« Ich verlasse diesen prachtvollen Menschen und kehre in mein Dorf zurück. Auf dem ganzen Rückweg sagt Lali kein Wort. Sie sitzt hinter mir auf dem Rotfuchs. Der Sattel reibt ihr die Schenkel auf, aber sie beklagt sich nicht. Zoraima reitet mit einem Indianer zu zweien.
Zorillo geht einen anderen Weg in sein Dorf zurück. Nachts kühlt es etwas ab. Ich reiche Lali eine Jacke aus Hammelfell, die mir Justo gegeben hat. Sie läßt sie sich umlegen, ohne eine Geste, ohne ein Wort. Das Pferd beginnt etwas schneller zu traben, sie denkt nicht daran, sich an mir festzuhalten. Während ich nach der Ankunft Zato begrüßen gehe, führt sie das Pferd ins Haus und wirft ihm ein Bündel Gras vor, ohne ihm das Zaumzeug oder den Sattel abzunehmen. Ich bleibe eine Stunde bei Zato, dann gehe ich heim.
Wenn die Indianer und vor allem die Indianerinnen traurig sind, ist ihr Gesicht verschlossen. Kein Muskel regt sich darin, ihr Blick ertrinkt in Traurigkeit, aber sie weinen nicht. Sie stöhnen manchmal, aber weinen werden sie nie. Nachts stoße ich im Schlaf an Zoraimas empfindlichen Bauch. Sie schreit vor Schmerz auf.
Aus Sorge, es könnte sich wiederholen, erhebe ich mich und lege mich in eine andere Hängematte. Sie hängt sehr niedrig. Ich lege mich also hinein und fühle, daß jemand sie berührt. Ich tue, als ob ich schliefe.
Lali setzt sich auf einen Holzklotz und sieht mich regungslos an. Einen Augenblick später spüre ich, daß Zoraima da ist. Sie hat die Gewohnheit, sich zu parfümieren, indem sie Apfelsinenblüten zerdrückt und sich damit die Haut einreibt. Sie hat diese Blüten in kleinen Säckchen im Tauschhandel von einer Indianerin gekauft, die ab und zu ins Dorf kommt. Als ich erwache, sitzen beide Frauen noch immer da, regungslos. Die Sonne ist aufgegangen, es ist kurz vor acht. Ich führe die Frauen ans Ufer und strecke mich in dem trockenen Sand aus. Lali und Zoraima sitzen. Ich streichle Zoraimas Brüste und Bauch. Sie bleibt marmorhart. Ich drücke Lali auf den Sand nieder und will sie küssen, sie preßt die Lippen zusammen. Der junge Fischer, der Lali abholen will, blickt nur einmal in ihr Gesicht und weiß Bescheid. Er zieht sich zurück.
Ich bin betrübt und weiß nicht, was ich machen soll. Ich möchte Lali streicheln und umarmen, um ihr zu zeigen, daß ich sie liebe, aber kein Wort kommt über ihre Lippen. Der Gedanke daran, wie sie leben werden, wenn ich fort bin, bereitet mir echten Kummer. Jetzt will Lali sich dazu zwingen, sich mir hinzugeben. Sie tut es voll Verzweiflung. Was kann sie dazu treiben? Sie kann nur einen Grund dazu haben, sie möchte von mir geschwängert werden.
An diesem Morgen bemerke ich zum erstenmal eine Regung der Eifersucht gegen Zoraima an ihr. Ich streichle Zoraimas Bauch und Brüste, und sie liebkost mein Ohrläppchen mit den Zähnen. Wir liegengut geschützt in einer Mulde aus feinem Sand. Lali kommt, legt den Arm um die Schwester, streicht mit der Hand über ihren angeschwollenen Bauch, dann über ihren eigenen glatten, flachen. Zoraima erhebt sich, als wollte sie sagen: Du hast recht, und überläßt ihr den Platz neben mir.
Die Frauen machen mir täglich das Essen, selber essen sie nichts. Seit drei Tagen haben sie keinen Bissen im Magen. Ich habe das Pferd genommen und hätte beinahe einen schweren Fehler begangen, den ersten in mehr als fünf Monaten: Ich wollte ohne Erlaubnis den Zauberer besuchen. Unterwegs ändere ich meine Absicht, und anstatt zu ihm hin reite ich ungefähr zweihundert Meter vor seinem Zelt hin und her. Er sieht mich und macht mir ein Zeichen, zu ihm zu kommen. Mehr schlecht als recht mache ich ihm verständlich, daß Lali und Zoraima nichts mehr zu sich nehmen. Er gibt mir eine Art Nuß, die ich daheim in Süßwasser legen soll. Ich kehre nach Hause zurück und lege die Nuß in den großen Wasserkrug. Die Frauen haben mehrmals getrunken, aber gegessen haben sie nichts. Lali fischt auch nicht mehr. Und heute, nach vier Tagen vollständigen Fastens, hat sie eine wahre Narretei begangen: Sie ist, ohne Boot, fast zweihundert Meter hinausgeschwommen und mit dreißig Muscheln zurückgekommen, für mich, ich soll sie essen. Ihre Verzweiflung macht mir solchen Kummer, daß auch ich kaum noch esse. Das hält jetzt seit sechs Tagen an.
Lali hat Fieber und muß sich niederlegen. Sie hat in den sechs Tagen nur ein paar Zitronen gelutscht, das war alles. Zoraima ißt wenigstens schon einmal am Tag, zu Mittag.
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