Papst & Teufel - die Archive des Vatikan und das Dritte Reich
Meinungsverschiedenheiten.Eine Mehrheit von acht der anwesenden dreizehn Mitglieder des Konsults sprach sich schließlich dafür aus, die Ökumenische Bewegung in Deutschland durch ein öffentliches Dokument zu verbieten. Ein Konsultor sah es dagegen für völlig ausreichend an, wenn die deutschen Bischöfe die Angelegenheit regelten, und vier Berater votierten – zumindest vorläufig – gegen eine öffentliche Verurteilung durch das Heilige Offizium. Auch in der Frage von disziplinarischen Maßnahmen gegen die beteiligten deutschen Priester gingen die Meinungen auseinander: Während manche für Suspendierung oder gar Exkommunikation eintraten, stimmten andere für ein pastoraleres Vorgehen und eine brüderliche Ermahnung durch die zuständigen Bischöfe.
In dieser vorbereitenden Konsultorenkongregation trafen somit wieder einmal Zelanti und Politicanti aufeinander, wobei die ersteren in der Mehrheit waren. Bezeichnend für die «eifernde» zelantische Position ist das Votum des Dominikaners Ludovico Ferretti (1866–1930), der den Hochkirchlich-Ökumenischen Bund schlicht eine «schismatische Bewegung» nannte, «weil sie eine Union der christlichen Kirche ohne den Chef machen will. Wenn man tatsächlich nach einem anderen Chef als dem römischen Papst sucht, dann hat man keine christliche Union, weil nur der Papst
Christus auf Erden
ist.»[ 22 ] Der Redemptorist Joseph Maria Drehmanns (1882–1959) widersprach Ferretti mit Nachdruck. Einerseits würdigte er die guten Absichten der Hochkirchler, Protestanten für die katholische Kirche zu gewinnen, andererseits lehnte er ein feierliches Verbot aus taktischen Gründen ab: «Je weniger Lärm man um diese Bewegung macht, desto besser. … Eine feierliche Verurteilung durch Rom, egal in welcher Form, wäre für sie eine Werbung», weil sie den antirömischen Affekt zahlreicher deutscher Protestanten und auch Katholiken bediente. Außerdem war ihm die Quellengrundlage für eine Verurteilung viel zu dünn. Pacellis Bericht reichte ihm offenbar nicht aus: «Bislang haben wir nur eine Darstellung gehört, und bezüglich der Wirkung eventueller Maßnahmen verfügen wir über keine bestätigten Daten» – das Argument eines typischen Politicante![ 23 ]
Am 9. März 1927 trafen sich die Kardinäle des Heiligen Offiziums, um die Angelegenheit abschließend zu beraten. Die Berichterstattung übernahm kein geringerer als Kardinalsekretär Merry del Val, waszeigt, wie wichtig ihm dieser Vorgang war. Wenn es sich nur um eine deutsche Angelegenheit handeln würde, so der Kardinal, könnte man die Sache auf sich beruhen lassen. Merry del Val sah im Hochkirchlich-Ökumenischen Bund jedoch nur die Spitze des Eisbergs einer weltweiten Organisation des Ökumenismus, die in den Kontext des weitverbreiteten Eindringens protestantischen Gedankenguts in die Mentalität zahlreicher gebildeter Katholiken und des um sich greifenden «dogmatischen Liberalismus und Modernismus» gehöre. Die Kampagne der Gegner der katholischen Kirche sei vor allem deshalb so heimtückisch, «weil sie mit einem vagen Gefühl brüderlichen Zusammenhalts und universeller Versöhnung liebäugelt» und dabei «den Lehrirrtum mit der Nächstenliebe verwechselt». Durch dieses «Liebesgeschwätz» gehe der Begriff des geoffenbarten und unwandelbaren Dogmas von der göttlichen Errichtung «der wahren und einzigen, sichtbaren und unvergänglichen Kirche Christi» verloren. Auch Katholiken würden mehr und mehr von dieser «Pest des religiösen Indifferentismus» infiziert. Eine Wiedervereinigung der Christen war für Merry del Val nur durch strikte Unterwerfung unter das Lehramt des Papstes und Rückkehr in die «einzige Herde» Christi – die katholische Kirche – möglich. Eine Ökumene, die die Differenzen in der Lehre übertünche, war für ihn nicht akzeptabel. Mit Schaudern wies Merry del Val die Vorstellung mancher Ökumeniker zurück, die dem Papst einen Ehrenvorsitz in der Kirche einräumen und ihn «an die Spitze ihrer bunten Kongresse» setzen wollten.[ 24 ] Nach einer kurzen und kaum kontroversen Diskussion beschlossen die Kardinäle einstimmig die Verurteilung der Ökumenischen Bewegung in Deutschland durch ein Dokument des Heiligen Stuhles.[ 25 ]
Nachdem Pius XI. diesen Beschluß bestätigt hatte, erarbeitete man in der obersten Glaubensbehörde in den folgenden Wochen ein Schreiben an die deutschen Bischöfe, das schließlich mit dem Datum des 11. April 1927 fertiggestellt wurde. Es verbot
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