Papst & Teufel - die Archive des Vatikan und das Dritte Reich
mußte alles vermieden werden, was Öl ins Feuer gießen und Rom in der Öffentlichkeit in schlechtem Licht erscheinen lassen könnte. Als «innere Gründe» führte Pacelli außerdem eine Reihe von Ungenauigkeiten im Dekretstext an: Schon der Name «Hochkirchlich-Ökumenischer Bund» werde im Dekret falsch mit «Hoch-Ökumenische Kirche» wiedergegeben, was angesichts des typisch deutschen «schulmeisterlichen Geistes» scharfe Kritik hervorrufen könne, die dem Ansehen «unserer heiligen Kirche» und nicht zuletzt des Heiligen Offiziums großen Schaden zufügen würde.[ 28 ]
Der Privatbrief, dem jeder offizielle Charakter fehlte, gab Pizzardo die Möglichkeit, Pacellis Anliegen inoffiziell dem Assessor des Heiligen Offiziums, Nicola Canali, mitzuteilen. Damit lag keine offizielle Beschwerde gegen eine Entscheidung der obersten Glaubensbehördevor, und diese mußte sich auch nicht in einer ihrer Sitzungen mit dieser Frage beschäftigen. Auf diese Weise konnten sowohl der renitente Nuntius als auch Merry del Val und seine Behörde ihr Gesicht wahren. Bereits am 23. April 1927 wandte sich Canali in einem persönlichen Schreiben an Pizzardo und bat ihn, Pacelli «vertraulich und völlig freundschaftlich» die Reaktionen Merry del Vals auf seine Einwände gegen das Dekret mitzuteilen. Die Kritik Pacellis an angeblichen Ungenauigkeiten im Text wies der Assessor mit Nachdruck zurück: «Das Heilige Offizium nimmt die ganze Verantwortung für das oben genannte Rundschreiben auf sich, und glaubt nicht, daß es innere Gründe gibt», die eine Veröffentlichung unangebracht erscheinen lassen. Canali fügte aber hinzu, daß die Suprema dem Staatssekretariat «die Beurteilung der äußeren Schwierigkeiten» überlasse. Letztendlich habe aber der Heilige Vater «von der Höhe seiner Weisheit aus» die ganze Angelegenheit zu entscheiden.[ 29 ]
Pacelli, den Pizzardo umgehend von Canalis Brief informierte, wandte sich bereits am 28. April selbst an diesen, um «jegliche Mißverständnisse» gegenüber dem «liebsten Herrn Kardinal Merry del Val» auszuräumen. Was die Zurückweisung seiner inneren Gründe anging, räumte Pacelli die Möglichkeit eines Irrtums seinerseits durchaus ein und bat «bescheiden um Verzeihung, daß ich auch in dem vorliegenden Fall geirrt haben kann, wie ich mich bei der Erfüllung meines Amtes tatsächlich täglich irre, ein Amt, das meine Kräfte besonders bei den heutigen, höchst schwierigen Umständen viel zu sehr übersteigt, von dem ich deswegen freigestellt werden möchte, um mich ins Privatleben zur Ausübung des heiligen priesterlichen Dienstes zurückziehen zu können. Was die äußeren Gründe betrifft, so erschien es einem armen Schreiber wie mir, der hier im Kreuzfeuer der Angriffe und inmitten einer lebhaften Aufregung der Gemüter wegen der verschiedenen vorzubereitenden Konkordate und wegen des zukünftigen Schulgesetzes lebt – Angelegenheiten von entscheidender Wichtigkeit für die Zukunft der katholischen Kirche in Deutschland – weniger angebracht, die Situation noch mehr verschlimmert zu sehen, und zwar … aufgrund einer Sache, die sicherlich gefährlich ist, die aber Gott sei Dank immer noch von geringer Bedeutung und Verbreitung ist und für die die hochwürdigsten Bischöfe Deutschlands selbst sorgen können, ohne daß sich der HeiligeStuhl direkt einschaltet. Auch dieser Gesichtspunkt kann aber in dem heiteren Umfeld Roms zweifellos viel besser eingeschätzt und beurteilt werden.»[ 30 ]
Auch wenn – beziehungsweise gerade weil – Pacelli hier ein Meisterwerk des einem katholischen Priester angemessenen Demutsgestus vollbrachte, setzte er sich in der Sache durch. In zwei Audienzen am 28. April und 5. Mai 1927 besprach Canali das Thema mit Pius XI. Der Papst nahm die politischen Schwierigkeiten, die der Nuntius mit der Veröffentlichung des Dokuments hatte, zur Kenntnis, auch wenn ihm Pacelli davon «doch ein wenig zu viel beeindruckt» erschien.[ 31 ] Pius XI. ordnete an, den Druck des Dokuments in den
Acta Apostolicae Sedis,
dem offiziellen Amtsblatt des Heiligen Stuhles, einzustellen. In der Öffentlichkeit sollte der Eindruck entstehen, als ob die deutschen Bischöfe aus eigenem Antrieb ohne römische Beeinflussung gegen die Ökumenische Bewegung vorgingen.[ 32 ] Damit zogen sie die mögliche öffentliche Kritik allein auf sich, und der Heilige Stuhl sowie insbesondere Nuntius Pacelli blieben unbelastet von diesen Vorgängen. Er war zwar ein antimodernistischer
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