Papst & Teufel - die Archive des Vatikan und das Dritte Reich
nämlich zu dem Ergebnis gekommen, «daß die Artikel der katholischen Mitarbeiter der
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den katholischen Gesichtspunkt nicht verletzt haben, mehr noch, sie haben ihn ausgeglichen und objektiv unterstützt; daß die
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die Möglichkeit bietet, Kreisen, die sonst keine Gelegenheit hätten, sich über die Angelegenheiten der katholischen Kirche zu informieren, Erklärungen über die Lehre und all ihre Institutionen zu liefern». Anders als Pacelli sah man in Breslau demnach «keine Gefahren» in der Mitarbeit katholischer Autoren an der ökumenischen Zeitschrift, von der man außerdem annahm, sie werde aus Mangel an Abonnenten ohnehin schnell eingehen.[ 17 ] Durch seine Denunziation der beschwichtigenden Aktion Bertrams ordnete Pacelli den Breslauer Kardinal gegenüber Merry del Val – zumindest zwischen den Zeilen – in die Gruppe der Politicanti ein, während er selbst eindeutig in der Partei der Zelanti zu stehen schien. Merry del Val informierte umgehend Pius XI. und dankte Pacelli am 20. Januar 1927 für dessen wertvolle Informationen. Der Papst verfolge die «besorgniserregende Bewegung» mit großem Interesse.[ 18 ]
Im Heiligen Offizium zog man aus dem Bericht des Nuntius eindeutige Schlüsse. Wie es in einer zusammenfassenden Relation für die Kardinäle der Kongregation hieß, gehe aus Pacellis Äußerungen unzweifelhaft hervor, daß die Ökumenische Bewegung in Deutschland Prinzipien vertrete, «die gänzlich im Gegensatz zum reinen katholischen Glauben» stünden: Sie negiere den Jurisdiktionsprimat des römischen Papstes und seine Unfehlbarkeit, sie transformiere das hierarchische Prinzip, stelle die Ohrenbeichte in Frage und rechtfertige jeglichen dogmatischen Dissens. Durch die Usurpation der Titel katholisch und ökumenisch stelle diese Bewegung eine große Gefahr für den gesunden katholischen Glauben dar, der unverkürzt bewahrt werden müsse. Wie in der obersten Glaubensbehörde üblich, wurde den Kardinälen und Konsultoren im Anschluß an diese Zusammenfassung eine Liste mit Fragen vorgelegt, die sie in ihrer Sitzung abzuarbeitenhatten. Dabei ging es vor allem um das Ob und Wie einer Verdammung der Ökumenischen Bewegung in Deutschland sowie um disziplinarische Maßnahmen gegen die beteiligten katholischen Priester.[ 19 ]
Mit dem notwendigen Gutachten wurde ausgerechnet jener Ernesto Ruffini betraut, der durch die Denunziation der
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im Vorjahr die ganze Angelegenheit erst ins Rollen gebracht hatte. Der Konsultor gab zunächst einen weiten historischen Überblick über die Reaktionen des Heiligen Offiziums auf unterschiedliche ökumenische Bestrebungen im 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts, die er als Präzedenzfälle charakterisierte. Ruffini arbeitete heraus, daß alle Ökumeniker, egal ob in England, Deutschland oder den USA, stets von «der falschen, ketzerischen Annahme» ausgingen, «die wahre Kirche Jesu Christi bestehe zum Teil aus der römischen Kirche», zum Teil aber auch aus anderen gleichberechtigten christlichen Kirchen. Für ihn gab es keinen Zweifel daran, daß auch die Hochkirchlich-Ökumenische Bewegung diesem falschen Grundsatz folgte. Deshalb schätzte er sie als «äußerst gefährlich» ein: «Ihre Basis besteht in der Tat aus Prinzipien, die den grundsätzlichen Dogmen der Kirche glatt entgegengesetzt sind.» Er nannte hier ausdrücklich die Teilbarkeit der Kirche Jesu Christi in verschiedene gleichberechtigte Kirchen, die grundsätzliche Fehlbarkeit der Kirche sowie die Ablehnung des Jurisdiktionsprimates des römischen Papstes, «weil eine Wiedervereinigung nur ohne diesen zu schaffen» sei. Ruffini hielt es daher für dringend geboten, «zum Wohl der Seelen und zum Schutz des heiligen Glaubens» alles zu tun, um angesichts der «lockeren Mentalität vieler deutscher Katholiken im Hinblick auf den rechten Glauben» eine weitere Ausbreitung dieser gefährlichen Bewegung zu verhindern. Deshalb plädierte er für eine Instruktion, die die Falschheit dieser Prinzipien aus Schrift und Tradition und namentlich die Identität der katholischen Kirche mit der Kirche Jesu Christi nachzuweisen hätte.[ 20 ]
Am 13. Februar trafen sich die Konsultoren des Heiligen Offiziums in der sogenannten Congregatio Praeparatoria, der vorbereitenden Sitzung, um anhand des Votums von Ruffini die in der Relation vom Januar gestellten Fragen zu diskutieren.[ 21 ] Dabei kam es offensichtlich zu heftigen Auseinandersetzungen und tiefgreifenden
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