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Papst & Teufel - die Archive des Vatikan und das Dritte Reich

Papst & Teufel - die Archive des Vatikan und das Dritte Reich

Titel: Papst & Teufel - die Archive des Vatikan und das Dritte Reich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hubert Wolf
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nicht, obwohl er immerhin eine entsprechende Enzyklika vorbereiten ließ. Darauf wird noch zurückzukommen sein.
    Mit der repressiven Wahrnehmung des kirchlichen Lehramtes war in Rom das Heilige Offizium, auch «Heilige Römische und Universale Inquisition» genannt, betraut. Hier wurde jede Form abweichenden religiösen, sozialen und politischen Verhaltens untersucht und geahndet. Dies geschah entweder durch ein Einzelurteil über bestimmte Personen und Gruppen oder durch eine Grundsatzentscheidung. Eine besondere Form der Verurteilung von Irrtümern stellte der sogenannte «Syllabus errorum» dar, der 1864 zum ersten Mal Anwendung fand und in einem Rundumschlag alle «gefährlichen» Strömungen der Moderne verdammte. Interessanterweise wurde auch in der Auseinandersetzung mit der nationalsozialistischen Ideologie über einen solchen Syllabus, also eine Liste mit Irrtümern, nachgedacht.
    Die reguläre und am häufigsten angewandte Form der Unterdrückung mißliebiger Ansichten war die Buchzensur. Im Gefolge der Reformation hatte man in Rom hellsichtig erkannt, daß das Buch das Medium schlechthin war, mit dem gefährliche Gedanken hunderttausendfach verbreitet werden konnten. Deshalb entschloß man sich mit der Gründung der Römischen Inquisition im Jahr 1542 zu einer Totalkontrolle des Buchmarktes. Werke aus allen Wissens- und Wissenschaftsbereichen sollten in Rom untersucht und gegebenenfallsverboten werden. Der
Index der verbotenen Bücher,
die berühmt-berüchtigte schwarze Liste, war geboren. Bei Strafe der Exkommunikation war es Katholiken nicht nur verboten, ein solches Buch zu lesen, vielmehr sollte schon der Besitz, die Herstellung, der Kauf oder Verkauf eines solchen Werkes zum Verlust des ewigen Seelenheils und in katholisch dominierten Milieus zugleich zu gesellschaftlicher Ächtung führen. Für die Buchzensur fand im Heiligen Offizium, das seit 1917 auch die Aufgaben der 1571 gegründeten Indexkongregation vollständig übernommen hatte, ein klar geregeltes Verfahren Anwendung. Nach einer Denunziation und einer Vorprüfung durch den Assessor wurde mindestens ein Konsultor mit einem schriftlichen Gutachten beauftragt, das im Geheimdruck für die Kardinäle und Konsultoren der Kongregation vervielfältigt wurde. In einer Congregatio Praeparatoria formulierten die Konsultoren nach Diskussion des Votums einen Beschlußvorschlag, mit dem sich dann die Kardinäle in der eigentlichen Kongregation auseinandersetzten. Deren Beschluß konnte entweder auf Verdammung, Freispruch, Vertagung oder Einholung weiterer Gutachten lauten und bedurfte immer der Approbation des Papstes, die der Assessor meist am folgenden Tag in einer Privataudienz einholte. Der Papst stimmte zwar meistens der Beschlußvorlage zu; gerade Pius XI. nahm aber nicht selten Modifikationen vor. All die in einer Verfahrensordnung genau festgelegten Schritte finden sich in der Regel im Archiv der römischen Glaubenskongregation dokumentiert, so daß man die Zensurprozesse zumeist minutiös rekonstruieren kann.
    Nach Ausweis des zuletzt 1948 gedruckten römischen
Index
wurden in der Tat mehrere einschlägige Bücher faschistischer und nationalsozialistischer Autoren verboten. Andere sucht man dagegen auf dem
Index librorum prohibitorum
vergeblich. Immerhin finden sich auf der «schwarzen Liste» eine Reihe einschlägiger italienischer Werke, die eindeutig im Zusammenhang mit dem Faschismus standen: im Jahr 1930 Mario Missiroli (1886–1974),
Date a Cesare. La politica di Mussolini con documenti inediti,
sowie die anonym erschienene Schrift
Stato Fascista. Chiesa e Scuola,
im Jahr 1934 sämtliche Werke
(opera omnia)
des Philosophen und ehemaligen Kultusministers Mussolinis, Giovanni Gentile (1875–1944), und im Jahr 1937 das Werk von Giulio Cogni (1908–1983) mit dem bezeichnenden Titel
Ilrazzismo.
Zum anderen waren die Schriften folgender nationalsozialistischer Verfasser verboten: Ernst Bergmanns (1881–1945) Werke
Die deutsche Nationalkirche
(1934) und
Die natürliche Geistlehre
(1937), von Raoul Francé (1874–1943)
Von der Arbeit zum Erfolg
(1937), von Burghard Aßmus (1855–1950)
Enthüllungen über die Sittenverderbnis in den Klöstern
(1937) sowie schließlich Alfred Rosenbergs
Mythus des 20. Jahrhunderts
(1934) samt dessen Reaktion auf das Buchverbot und die kirchlichen Gegenschriften
An die Dunkelmänner unserer Zeit
(1935). Dabei kam der Indizierung des
Mythus
zweifellos die höchste Bedeutung zu.
    Bis zur Archivöffnung des

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