Paradies. Doch kein Himmel (German Edition)
er interessierte sich nicht mehr für den Fall. Oder er litt an professioneller Demenz.
„Wie ich Ihnen schon erörtert habe“, führte Vincent aus, „war ich nicht in Ferien, sondern habe beim Hilfswerk gearbeitet. Ich war während eineinhalb Jahren vor Ort. Das ist ein bisschen anders als in den Ferien einen Krimi zu lesen, oder?“
„Sie stellen sich das so einfach vor, Herr Than“, erwiderte Herr Herman, „aber wir haben Prozesse und Reglemente, an die wir uns halten müssen. Man kann ja nicht irgendwen anschuldigen. Verstehen Sie. Und wir können auch nicht internationale Stellen gegen uns aufbringen, nur weil wir einen unbegründeten Verdacht aufs Parkett bringen.“
„Wie ich schon angedeutet habe, ich habe einen Zeugen“, beharrte Vincent.
„Einen lebenden Zeugen?“, fragte Herman und Vincent hätte schwören mögen, er klang entsetzt.
„Na, sonst wäre es mit der Aussage schwierig. Ja, einen lebenden Zeugen“, erwiderte er deshalb.
„Sie brauchen also nicht vorlaut zu werden“, erwiderte Herr Herman streng.
„Ich habe einen Zeugen, der den Waffenhandel der Firma Transmar bestätigt. Das ist doch ziemlich triftig“, widerholte Vincent.
„Herr Tham, für Fragen der Wirtschaftskriminalität muss eine offizielle Stelle vor Ort Anzeige erstatten, da können wir von hier aus gar nichts machen“, sagte da Herr Herman.
„Fällt denn illegaler Waffenhandel unter Wirtschaftskriminalität? Das ist doch eine eigene Straftat, oder irre ich mich da?“ beharrte Vincent weiter. Er wurde allmählich wirklich ungeduldig und der bedächtige Verstand des Herrn am anderen Ende ging ihm auf die Nerven. Deshalb erklärte er nochmals deutlich: „Die Firma handelt unter dem Vorwand, Sojaöl für Biodiesel zu transportieren, mit Waffen. Sie weisen wahrscheinlich nur die Agrarerzeugnisse aus und nichts von den Waffen, die sie transportieren.“
„Eine Biodiesel-Firma ist das? Dann können wir sowieso nichts unternehmen. Biodiesel wird ja von allen Seiten unterstützt, das ist das goldene Kalb in dieser Zeit“, rief Herr Herman abwehrend.
„Die heilige Kuh, meinen Sie?“ fragte Vincent.
„Herr Than, ich muss Sie darauf aufmerksam machen, dass Ihre aufmüpfige Art hier nicht gerne gesehen wird. Sie sollten das wirklich überdenken. Ich kann Ihnen nicht weiter helfen. Guten Tag“, sagte Herr Herman abschliessend und hängte ohne eine weitere Antwort abzuwarten den Hörer auf.
„In Hermans Fall ein ausgewachsenes Rindvieh“, sagte Vincent in das piepende Freizeichen hinein. Auf dem Block neben dem Telefonapparat hatte er eine fröhliche Kuh gemalt.
Er fragte sich, ob es dem Beamten einfach zu anstrengend war, zu arbeiten, oder ob er wirklich nicht begriffen hatte, was Vincent ihm erzählt hatte. Der Kontrast zu seinem ersten Gespräch mit Herrn Herman war frappierend. Damals hatte der Polizist sich für den Fall interessiert, doch heute stellte er sich dumm. Vincent dachte an dessen letze Bemerkung: Er falle unangenehm auf, wenn er sich gegen eine Biodiesel Firma wende. Ob Herr Herman seinerseits einen Dämpfer erhalten habe, den er nun überspielen musste? Hatte sein Vorgesetzter ihm nahegelegt, Vincents Hinweis geflissentlich zu übergehen? Er würde es nie herausfinden, doch der Gedanke verfolgte ihn.
Vincent erzählte Consuelo von der Abfuhr, die ihm die Polizei erteilt hatte, doch das Mädchen war wenig beeindruckt.
„Herr Marcial ist so stark. Er hat so viel Macht“, sagte sie resigniert.
„Er dürfte hierzulande ziemlich wenig Macht haben. Ich glaube nicht, dass sein Arm bis über den Atlantik reicht“, erwiderte Vincent trocken. Als er aber Consuelos entsetzten Blick sah, entkräftete er seine Bemerkung.
„Er hat dennoch Macht von beiden Seiten“, sagte sie darauf.
„Du meinst beiden Seiten des Atlantiks?“ fragte er erstaunt.
„Nein, beiden Seiten, hm, der Welt. Ich meine, des Bewusstseins. Er hat Verbündete aus der Gegenwelt. Er hat Geister und Dämonen, die ihm zu Gebote stehen“, sagte Consuelo und schauderte.
„Bist du dir da sicher? Ich meine, das scheint mir sogar erstaunlich, wenn ich deine Weltsicht versuche anzunehmen. Woher soll er denn Macht über die Geister haben? Braucht er dafür nicht dich?“ fragte er.
Sie sah ihn ganz erstaunt an. „Doch doch, ich glaube schon, dass sie ihm allein zu Gebote stehen“, sagte sie.
„Gehorchen sie ihm denn, wenn du nicht da bist?“ fragte Vincent. Es klang seinem eigenen Ohr, als sei er in die Welt des Mädchens
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