Paradies. Doch kein Himmel (German Edition)
Mitglieder im Auge halten zu können. Darüber war eine Art Mansarde, die für besondere Zusammenkünfte aufgespart wurde, davon aber hatte sie nichts erzählen wollen.
Das Gebäude war im späten Kolonialstil errichtet und der Verputz nicht mehr über alle Zweifel erhaben. Dunkle Flecken von Moos und Schimmel krochen von den Strassenecken her über die helle Kalkfarbe und die schmiedeeisernen Gitter waren teils rostig, so wusste er von Consuelo, die dazwischen durchgekrochen war. Vincent ging leise um das Gebäude herum und unvermittelt war ihm, als fasse es ihn kalt an. Ein Schauer lief ihm über den Rücken und der Schweiss brach ihm aus. Er strich die feuchte Stirn mit der Hand trocken. Er war wohl nervös, immerhin hatte er kein leichtes Unternehmen vor sich.
Im Dunkel fand Vincent eines der unvergitterten Fenster, in dessen Nähe ein Baum stand, so dass er es kletternd erreichen konnte. Es waren altmodische Schiebefenster und es war um eine Handbreit geöffnet. Er setzte zum Sprung an, hielt sich an einen der unteren Äste fest und erklomm, sich mit den Füssen am Stamm abstützend, den Ast. Von dort aus erreichte er einen oberen Zweig, der auf seiner Brusthöhe zur Hauswand reichte. Er stiess sich vom unteren Ast ab und lag bäuchlings über dem Holz, während die Rinde sich in seine Haut unter dem Hemd bohrte. Balancierend drehte sich Vincent, bis er ein Bein über den Ast schwingen konnte und setzte sich rittlings auf. Es knarrte ein wenig unter ihm, doch das Holz schien stabil. Nun stand er auf und kletterte geduckt auf das Fenster zu, stützte sich mit dem Arm auf einen abstehenden Zweig. Doch dessen Holz war morsch und gab unter seinem Gewicht nach. Splitternd brach es und fiel hinab, während Vincent frenetisch Halt suchte.
Eine gute Armspanne vor dem Rahmen verjüngte sich der Ast und wurde schmal und biegsam. Ein verdächtiges Knarren war nte Vincent, dass das Holz bei einem weiteren Schritt nachgeben würde und er trat zurück, soweit das seine geduckte Position im Geäst zuliess. Vincent entsann sich mit dem Blick auf den Boden seiner Kindertage, als er gerne geklettert war. Seine Freunde und er hatten allerlei gespielt und erprobt und ihre Spiele waren bitterernst gewesen. Doch keines hatte ihn auf eine Situation wie diese vorbereitet. Vincent schüttelte über sich selbst den Kopf und suchte nach einer Möglichkeit, den Sims zu erreichen.
Er löste das Seil, das er am Gürtel befestigt trug und schwang die Schlaufe, die er vordem geknotete hatte, zum überhängenden Dach. Das Seil rutschte ab und als Vincent es mit einem unterdrückten Fluchen wieder zu sich ziehen wollte, hatte es sich an einem der unteren Zweiglein verhängt. Er schüttelte das verhedderte Ende, bis er das Seil wieder aufrollen konnte und unternahm einen weiteren Versuch.
Als er die Schleife endlich an der Regenrinne eingehängt hatte und mit einem Ruck prüfte, ob sie halten würde, hörte er das singende Knarzen des Kupfers, doch es hielt. Fürs erste.
Vincent hielt sich am Seil fest und schwang sich gegen das Fenster, seinen Flug mit den Füssen abfangend, so dass er nicht gegen die Wand prallte. Sich mit der einen Hand ans Seil klammernd, verlagerte er sein Gewicht langsam auf den Sims und suchte fieberhaft Halt am aufgerauten Holz. Unter seinen schweissigen Fingern fühlte er die sich ablösende Farbe, mit der der Sims vormals gestrichen worden war, während das metallische Geräusch von oben ihn warnte, sich nicht länger auf den Halt der Regenrinne zu verlassen. Da griff er mit der anderen Hand nach dem Sims und klammerte sich an die Hauswand, während das Seil wie eine gelöste Schlange hinter ihm hin und her baumelte.
Das Fenster war alt und liess sich nur schwer verschieben, doch es gelang Vincent, den Spalt zu vergrössern und haltsuchend klammerte er sich an das trockene Holz. Vincent schob sich mit den Fusspitzen nach oben, rutschte ab und schlug heftig mit dem Knie gegen die glatte Hauswand, ehe er sich wie ein Hamster im Rad nach oben gearbeitet hatte und bäuchlings über dem Fensterrahmen lag. Auf den Händen stützte er sich ab und gelangte in das Zimmer. Es gab wohl elegantere Arten einzubrechen. Vincents Stirn streifte der Gedanken, dass es bedachtsameres Vorgehen geben mochte, als überallhin kopfvoran zu gelangen, doch ehe er zu einem befriedigenden Abschluss seiner Erwägung gelangte, erkannte er ein viel dringlicheres Problem: Vor ihm stand ein Bett und darin sass eine Frau, wie er im fahlen
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