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Paradies. Doch kein Himmel (German Edition)

Paradies. Doch kein Himmel (German Edition)

Titel: Paradies. Doch kein Himmel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthea Bischof
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Verstehst du? Ich habe keine Wurzeln, ich habe keine Ziele, ich habe nur meine Freiheit. Mehr als jemals zuvor. Ich meine das nicht romantisch. Ich will nur sagen, ich habe nichts mehr zu verlieren, was mich emotional etwas kostet. Ich bin emotional bankrott. Ich bin enterbt, verloren gegangen, meine Ideale sind zum Teufel und meine Chancen auf einen anständigen Job sind derzeit gleich null. Das einzige, was ich noch habe, ist die Verpflichtung gegenüber dir. Ich habe noch keinen Menschen kennengelernt, der so lieb ist und der so viel Übles erlebt hat. Das ist eine Verpflichtung für mich geworden. Ich wollte das nicht, ich wollte, dass du dich an die offiziellen Hilfswerke wendest und so, ich weiss. Aber ich habe auch begriffen, dass dir das nichts bringt. Also bin ich hier und nun habe ich es angefangen, jetzt muss ich es zu Ende bringen. Wer sonst ist denn in einer so beschissenen Situation, dass er lebensmüde oder tollkühn genug ist, einem Mann begegnen zu wollen, der el Aniquilador genannt wird?“
    „Vincent, das ist wirklich gefährlich“, rief Consuelo aus.
    „Hm, du hast es überlebt, oder?“ wandte er ein.
    Consuelo blickte auf die Kartonkiste vor sich, die einmal Bananen beherbergt hatte.
    „Aber zweihundertvierundneunzig andere nicht“, sagte sie und Vincent musste sich vorbeugen, um sie verstehen zu können.
     
     
    Sie hatte sie alle gewonnen, sie hatte sie becirct, beschworen, sie gelockt und bedroht, bis sie sie umgestimmt hatte. Sie hatte ihnen gezeigt, dass sie betrogen würden, dass andere ihnen nähmen, was ihnen zustand, dass sie nur immer weiter verlören, wenn sie nicht an sich rafften, was ihnen zustehen mochte. Es war ihr gelungen, sie einzubinden und nun wussten sie selbst nicht mehr, dass es nicht ihre eigenen Wünsche und ihre eigene Wut waren, sondern die der Alten, die sich rächen wollte.
    Doch sie hatte rasende n Hass zu entflammen gewusst, sie hatte die Not, den Überlebensdrang, die Gier und den aufgestauten Hass in die Bahnen gelenkt. Nun brach der Damm und was lange unterdrückt war, brach hervor.
    Es war der Hass so überschäumend, dass sie das glänzende begrünte Stadtzentrum überrannten, Gebäude und Bäume in Brand steckten, wahllos Passanten niederschlugen und auch vor streunenden Bettlern nicht Halt machten. Was ihnen in die Hände fiel, wurde ihnen zur Waffe und sie hackten und stiessen was sie nur konnten und brüllend stürzten sie sich auf Ordnungshüter, auf Limousinen und Eselkarren, bis alles geflohen war und niemand mehr sich auf die Strasse wagte.
    Da war ihres Wütens genug und die Hexe spuckte zufrieden in den Schlamm des Bodens. Ihr Herz hatte Befriedigung gefunden und sie wollte noch mehr.
     
     

XX
    Aus dem Sichtfeld gedrängt harren die Hässlichen, die kein Auge je sieht. Kein Mitleid nährt die Bedrückten der Geister und nichts wärmt sie im ewigen Zwielicht.
    Im Schatten des Mondes ihre Herberge.
    Aus der Dämmerung streiten sie gegen die Unterdrücker und
    wirken stets gegen ihr Trachten.
    Doch manchmal kehren sie wieder.
     
    Vincent war nach Concepcion gefahren und schlief in seinem Mietwagen am Rande der Strasse im Chaco, nur wenige Meilen vor der Stadt. Er hatte sich für allerlei Fährnisse gerüstet und blickte den Dingen die da kamen gelassen entgegen. Consuelo hatte er in der Wohnung in Asunción gelassen, um sicherzugehen, dass sie zwischen keine Fronten geriet.
    Vor Tag, noch bevor der Morgentau fiel, weckte ihn der piepsende Laut seines Mobiltelefons. Vincent bewegte den versteiften Rücken, stieg aus dem Wagen und reckte sich, bis er sich wie ein Mensch fühlte. Sein linker Unterarm war taub, weil er sich im Schlaf darauf gelehnt hatte und als er auf seine Hand sah, erschrak er, denn ein schwarzer Fleck starrte ihm entgegen. Ein schwarzer Käfer sass unterhalb des Gelenks. Er schüttelte seine Hand, doch das Insekt blieb. Vincent blinzelte im Licht der offenen Wagentüre: Es war kein Tier, es waren nur Spuren von schwarzem Maschinenfett, das seinen Handrücken verschmutzte und er wischte es ab.
    Vincent fuhr bis auf einen Block vor das Haus der Gemeinde der Flammenden Herzen. Dort stieg er aus, bedeckte den Wagen mit einer tarnfarbigen Plane und ging geradeaus, bis er im schachbrettartigen Geflecht von Strassen nach rechts abbog und die Adresse erreichte.
    Von Consuelo wusste er, dass das untere Stockwerk durchgehend vergittert war, das obere Stockwerk dagegen nur teils. Dies hatte die Gemeinde so eingeführt, um widerspenstige

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