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Paradies. Doch kein Himmel (German Edition)

Paradies. Doch kein Himmel (German Edition)

Titel: Paradies. Doch kein Himmel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthea Bischof
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Visionen gut zu verkaufen. Verstehst du, da ist endlich mal jemand, der eine Art Beweis für den hanebüchenen Kram liefert, den man jeden Sonntag von der Kanzel redet. Ich würde mir das Küken an deren Stelle wohl auch warm halten“, sagte Luz. Sie war den Mönchen offensichtlich wenig gewogen.
    „Und was gibt es Harmloseres als ein kleines Mädchen, das von wilden Dämonen erzählt“, führte Vincent ihren Gedanken weiter, denn die Triftigkeit der Argumente stach ins Auge. Er war froh, dass Luz seiner Art zu denken so viel näher stand als Consuelo, denn deren Ausführungen liessen ihn immer irgendwo im Limbus völliger Unklarheit. Luz‘ Misstrauen aber gegen alles Religiöse eröffnete ihm einen Blickwinkel, für den er zuvor gleichsam blind gewesen war. Die Erkenntnis rieselte ihm gleich dem Winterregen durchs Bewusstsein.
    „Consuelo als Machtinstrument dieses irren Priesters…“, sagte er langsam und trank seinen Zuckerrohrschnaps mit Limonade aus.
    „Siehst du, die Macht der Angst herrscht in diesem Land schon so lange, dass man sie gar nicht mehr sieht“, sagte Luz und ein Hauch Bedauern schwang in ihrer rauen Stimme.
     
     
    Wie vereinbart hatte Marcial von dem Zollbeamten, der Mitglied der Gemeinde der Flammenden Herzen war, erfahren, als Consuelo wieder in Paraguay einreiste. Er hatte ebenso erfahren, dass besagter Herr Thal bei ihr war. Eine gelinde Befriedigung über die Dummheit seiner Mitmenschen breitete sich in Marcials Brust aus. Es war so viel einfacher vorwärts zu kommen, wenn seine Gegenspieler blöde und naiv waren. Doch wie Brandgeruch schwelte Misstrauen im Schatten seiner gierigen Freude. Etwas an der Sache schien ihm faul und er begann zu ahnen, dass Vincent an Consuelo ähnliche Interessen haben musste wie er selbst. Das lag auf der Hand. Warum sonst sollte er sich mit dem quengelnden Kind belasten?
    Marcial zog die erstarrten Falten auf seiner Stirn noch krauser und rieb sich die Augen. Ob dieser Thal Conuelos Wert erkannt hatte? Wollte er etwa in Konkurrenz zu ihm treten? Konnte er so naiv und unbedarft sein, ein solches Risiko einzugehen?
    Marcial wischte den Verdacht beiseite und konzentrierte sich auf sein Vorhaben, die Kleine wieder in seinen Machtbe reich einzuverleiben. Das war nun sein wichtigstes Anliegen. Dem hatten sich alle anderen Ziele unterzuordnen. Doch es blieb der Verdacht.
    Es verursachte ihm Ärger, als er herausfand, dass die beiden dieses Mal weniger leicht zu finden waren. Nach ih rer Einreise in Paraguay verlor sich ihre Spur. Es waren keine Hinweise auf Thal zu finden und Consuelo war noch viel unauffälliger. Doch Marcial liess seine Leute weiterhin Ausschau halten. Lauernd wartete er ab, wohl wissend, dass ihm die Zeit in die Hand spielte.
     
     
    Vincent beabsichtigte, sich einen gut strukturierten Plan zu machen und Fluchtwege offen zu halten. Das schien vernünftig, da er seinen Gegner schlecht einordnen konnte. Consuelo schilderte einen äusserst gefährlichen Mann, aber Vincent musste stets an einen untersetzten Dorfpfa ffen denken, der durchaus keine Bedrohung darzustellen vermochte. Ein lächerlich anmutendes Bild von einer Soutane und einem altmodischen Pilgerhut hielt sich vor seinem inneren Auge.
    Eine Woche nach ihrem Wiedersehen traf Vincent sich mit Ignacio in Chacarita. Sie waren zum Fluss gegangen und hatten sich auf den kaputten Reifen eines Lastwagens gesetzt. Vincent hatte alle Bedenken, sich ans Wasser zu begeben, über Bord geworfen: Bisher hatte er sich dem Fluss und den Pfützen im Umfeld ferngehalten, da sich dort Stechmücken und kriechendes Getier herumtrieben, die bekanntermassen Wirt für allerlei widerwärtige Krankheiten waren. Doch in Ignacios Gesellschaft verlor sich seine Vorsicht und vom Ufer aus blickte er über den mächtige Rio Paraguay, der hier Asunción von Argentinien trennte. Über die Weite des Wassers schien das Nachbarland nahe, denn täuschend rückte die winterklare Luft das andere Ufer zu ihnen. Doch der graublaue Fluss war weit und so ruhig er floss, so vielfältig lauerten seine Gefahren unter der Oberfläche.
    „Ich habe schnell gelernt, dass es nicht gut ist, nach dem Mann zu fragen“, erklärte Ignacio, während er auf einem Grashalm kaute.
    „Kennt man ihn hier?“ fragte  Vincent.
    „Offensichtlich. Es heisst, dass er aus dem Quartier stammt, aber man redet nicht darüber. Die Bande, die hier das Sagen hat, hat vielleicht sogar er aufgebaut. Er soll mit sechzehn den ersten Mord begangen haben

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