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Paradies. Doch kein Himmel (German Edition)

Paradies. Doch kein Himmel (German Edition)

Titel: Paradies. Doch kein Himmel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthea Bischof
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Nachtlicht erkannte. Sie hatte beide Hände vor den Mund gepresst, doch das war nur die Ruhe vor dem Sturm, denn sie hub an aus Leibeskräften zu schreien.
    Vincent gefror das Blut in den Adern. Er sprang auf und stürzte auf sie zu, ihr die Hand auf den Mund pressend. Weiteres Schreien konnte er verhindern, doch nun trafen ihn scharf gefeilte Nägel und sie trat und schlug um sich wie sie nur konnte. Ehe er ernstlichen Schaden nehmen konnte, erinnerte er sich erprobter Nahkampftechnik früherer Schulhöfe, drehte seine Gegnerin auf den Bauch und hielt sie mit seinem Gewicht nieder, mit gegrätschten Beinen über ihrem Rücken, während er ihr die Hand weiter vor den Mund presste.
    Fieberhaft dachte er nach. Er beugte sich nahe zum Ohr der wehrhaften Dame und flüsterte: „Hören Sie auf sich zu wehren, dann tue ich Ihnen nichts!“
    Als seine Beteuerungen nicht fruchteten, liess er ihre Hände los, giff nach seinem Messer, das er am Fussgelenk trug und legte ihr die Spitze an den Hals. Da wurden ihre Bewegungen kraftlos und sie hörte auf, mit den Fersen auf seinen Rücken einzuhämmern.
    Er atmete schwer und fühlte der Schweiss auf seiner Haut abkühlen, während sie erstarrt dalag, eingeklemmt von seinem Gewicht.
    „Ich will Ihnen wirklich nichts tun, Señora, haben Sie keine Angst“, beteuerte er ein weiteres Mal und als er nun die Hand von ihrem Mund löste, blieb sie ruhig, von ihrem vernehmlichen Atemholen abgesehen. Da griff er nach ihrem Arm und drehte ihn auf ihren Rücken, klemmte sich das Messer zwischen die Zähne und zog ihren anderen Arm auf nach hinten. Mit dem Klebeband schnürte er ihre Handgelenke zusammen, über den Stoff ihres Nachthemdes, um die Haut nicht zu verletzen. Dann stopfte er ihr eines der gestickten Zierdeckchen vom Nachttisch in den Mund und nahm ein paar Schritte Abstand.
    Es war ihm unmöglich zu identifizieren, um wen es sich bei der Dame handelte. Sie hatte langes dunkles Haar und ihr Alter war nicht zu schätzen. Er wusste nur, dass sie kräftiger war, als es ihre Hagerkeit hätte vermuten lassen. Welche der Personen es aber war, die er sich von Consuelo hatte beschreiben lassen, wusste er nicht.
    Ausser dem Bett gab es im Zimmer einen kleinen Tisch mit Stuhl und ein Bücherregal. Darin stand wahrscheinlich mancher Katechismus, aber nichts, was sich zu lesen gelohnt hatte, fuhr es Vincent durch den Kopf. Er erwog, die Dame nach weiteren Einzelheiten aus dem Haus zu fragen. Doch stattdessen verliess er leise und nach einem Blick auf den dunklen Gang das Zimmer.
    Es rührte sich nichts im Haus. Niemand war gekommen, keiner hatte nachgesehen, was den Lärm verursacht hatte. Vincent dachte ein wenig bitter, dass es hier keinen zu scheren schien, wenn in der Nacht jemand schrie.
    Nach einigen Sekunden der Stille betätigte Vincent den ertasteten Lichtschalter. Der Gang war lange und leer. Eine Reihe von Türen begrenzten die fensterlosen Wände und wie der Boden i m Zimmer der ehedem wehrhaften Dame lag auch hier ein dunkler Spannteppich, weinrote Ranken auf olivfarbenem Grund. Vincent erinnerte sich nicht, wann er jemals eine hässlichere Einrichtung gesehen hatte und löschte das Licht wieder.
    Leise ging er zu einer der weiteren Türen, legte das Ohr ans Holz und lauschte. Es war vollkommen still drinnen, so dass er langsam die Klinke drückte und die Türe aufschob. Er hörte nur den regelmässigen Atem schlafender Menschen. Er ging langsam ein, jedes Geräusch vermeidend und trat an das erste der Betten. Es war eine dunkelhaarige Frau, die schlief. Das lange Haar lag wie das gefiederte Blatt eines Baumes über dem Kissen. Daneben schlief eine andere Frau und ebenso in den zwei weiteren Betten. Wie der Raum der wehrhaften Dame war auch dieser Raum schmucklos und funktional eingerichtet. Vincent zuckte etwas ratlos die Schultern und wendete sich hinaus auf den Gang.
    Die Türe erzeugte auf dem Teppich ein schleifendes Geräusch und Vincent erstarrte, als er vom unteren Geschoss her ein leises Knallen vernahm. Er wartete einige Sekunden, zwischen dem Atem der schlafenden Frauen und dem stillen Gang, ob sich unten noch mehr bewegte, doch es blieb still. Da schloss er die Türe hinter sich.
    Auch die weiteren Zimmer enthüllten nichts anderes als kleinere oder grössere Trauben von Frauen. Vincent ging zur Treppe und trat auf die erste Stufe nach unten. Er prüfte, ob die Tritte knarrten, doch es blieb ruhig. Nur seine Sohlen auf dem Teppich waren zu hören, seinen Ohren

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