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Paradies. Doch kein Himmel (German Edition)

Paradies. Doch kein Himmel (German Edition)

Titel: Paradies. Doch kein Himmel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthea Bischof
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bleckte mehr Blut von ihnen, als er es erwartet hätte. Die Dornenkrone des Erlösers hatte die alabasterweisse Stirne scharf verletzt und schwere tiefrote Tropfen sassen bei den runden Wunden wie Weihnachtskugeln. Die Muttergottes, erkennbar am Heiligenschein und dem unvermeidlichen blauen Tuch, wie Vincent annahm, hatte das Ansehen eines fast blonden Kindes. Ein üppiges rotes Herz nahm den Raum ihrer Brust ein, wo ihr Busen hätte sein sollen, überströmt von dicken Tropfen aus Tränen und Blut. Es lag eine widerwärtige Schwülstigkeit im kindlichen Blick der Muttergottes und er dachte an die irren Geschichten von Unbeflecktheit. Die weiteren Bilder waren im selben Stil und zeigten allerlei Märtyrer mit tränenden Augen und fliessenden Wunden, deren frisches Blut im Licht ihrer Heiligenscheine erglänzte.
    Vincent liess die Heiligen heilig sein und trat zum Altar.
    Ein dickes Tuch lag zusammengefaltet auf dem hölzernen Tisch. Es war vielfach beschmutzt und schwärzliche Flecken gaben den Anschein von Blut, nicht so frisch und blühend rot, wie auf den Bildern, sondern dunkel und echt von metallischem Geruch. Schaudernd blickte Vincent auf die verschiedenen Kerben im Tisch und fuhr mit dem Finger über die unidentifizierbaren Beschmutzungen auf dem Holz. Es war eine stille Mitwisserschaft, geheimnisvoll und anklagend zugleich. Was mochte sich hier abgespielt haben?
    Erst jetzt Vincent fiel auf, dass der Boden nicht zum Rest des Raumes passte. Im Gegensatz zu den hellen Stoffen war der Boden kohlschwarz, ein kühles, stumpfes Linoleum, so als hätte zu scharfe Reinigung ihm den eigentümlichen Glanz genommen. Es war ein Boden, der jede Zeugenschaft verweigerte und stumm und unerkennbar seine Geheimnisse bewahrte.
    Draussen gewahrte Vincent ein Geräusch und lauschte reglos. Blitzschnell wandte er sich zum Lichtschalter und löschte aus. Nun war es stockdunkel im Raum und er atmete flach und lautlos. Gegen die Wand gelehnt sah er einen feinen Spalt unter der Tür, der anzeigte, dass im Vorraum Licht gemacht worden war. Vincent griff nach einem der Heiligenbilder an der Wand und hängte es ab. Da ging langsam die Türe auf und er sah im Licht vom Vorraum her einen massigen Mann eintreten. Dieser trug ein hellblaues Unterhemd, unter dem eine Pracht dichter Haare hervorquoll und ein niedlich gebürsteter Schnurbart zierte sein gedunsenes Gesicht. Er blinzelte in den dunklen Raum und wandte sich dann um, um hell zu machen. Da holte Vincent mit seinem Heiligenbild aus und hieb es kräftig auf den Hinterkopf des anderen. Der massige Mann taumelte leicht und wandte sich nach Vincent. Da versetzte er ihm mit aller Macht einen Haken gegen das Kinn und mit einem kehlen Seufzen ging der andere nieder. Vincent spähte hinaus auf den Gang, ob sich noch jemand zeigte. Doch es schien still. Da zog er die Türe hinter sich zu und stieg leise die Treppe hinauf ins Erdgeschoss, doch auf halben Weg hörte er leise eine Stimme rufen. Vincent hielt den Atem an. Jetzt sass er in der Falle, denn hier war keine Nische, in der er sich hätte verstecken können. Er wich zurück, um dem Rufer nicht auf der Treppe zu begegnen. Er wollte nicht den Nachteil haben, von unten herauf kämpfen zu müssen. Da sah er einen robust gebauten Burschen herabkommen.
    ‚ Entweder ich bin schnell oder ich stecke ein‘, dachte Vincent, seine eigene Statur mit dem muskelbepackten Gegenüber messend.
    Als der Vincent entdeckte, stutzte er und stürmte trampelnd die Treppe hinab. Vincent hatte sein Messer gezückt und hielt in der anderen die Pistole, die er am Gürtel trug. Etwas ratlos umkreiste ihn der andere, der nur einen Schlagstock in der Hand hielt. Vincent aber wusste, dass er es auf einen Kampf mit dem Messer besser nicht ankommen liess und dass ein Schuss ihn im ganzen Haus verraten würde. Dennoch hob er die Waffe und richtete sie auf die Brust des jungen Kerls. Dieser hielt den Blick auf die Waffe gerichtet und schob das Gewicht von einem Fuss auf den anderen. Vincent versuchte, ihn gegen den Kultraum hin zu dirigieren. Vielleicht könnte er die beiden dort einsperren. Da gewahrte er hinter sich eine Bewegung und ehe er den Plan in die Tat setzen konnte, fuhr ein Schlag auf Vincent hernieder und es wurde vollkommen dunkel um ihn.
     
     
     
    In seinem Kopf hämmerte höllisch. So musste sich ein Ambos fühlen, dachte Vincent. Brennender Schmerz pulsierte an seiner rechten Schläfe und er spürte, wie das Blut gerann und sich als dünner Film

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