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Paradies. Doch kein Himmel (German Edition)

Paradies. Doch kein Himmel (German Edition)

Titel: Paradies. Doch kein Himmel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthea Bischof
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ihn Nuuk mit Einzelheiten aus dem Gebiet versorgte, dass ihm die Ohren schwirrten. Das Thema schien sie vollkommen in Anspruch zu nehmen.
    Als sie ihre Ausführungen abschloss, fragte sie verbindlich: „Wie lange bist du denn schon in Paraguay?“
    „Seit knapp einem Jahr“, erwiderte er. „Vorher war ich an anderen Orten.“
    „Wie ist denn Paraguay so?“
    „Heiss“, erwiderte er und strich sich den Schweiss von der Stirn. Es war Nachmittag und die Sonne hatte das Gebäude erhitzt, so dass ihre Wärme durch die Wände zu dringen schien und sich ein schweissiger Film auf die Haut legte. „Es gibt keine Berge, nur den Fluss und viel Grasland. Alles blüht farbig und es riecht überall nach Blumen, dort wo es nicht nach Müll oder der schlechten Kanalisation riecht.“
    „Wie sind die Leute so?“ fragte sie weiter.
    „Planst du Ferien hier? Sie sind höflich und traditioneller als ich es von Europa gewohnt bin. Kirche und Kirchenfeste sind sehr wichtig. Ah, und alle trinken ständig Mate-Tee, ein grauenhaftes Gesöff. Fade wie Wasser, schmeckt nur schlechter.“
    „Wenn du sagst, es geht der Bevölkerung so schlecht, sind sie dann sehr mager? Sind sie traurig?“ fragte Nuuk.
    „Gemessen an meinem Zuhause sind sie recht gut gelaunt. Sie gehen mit den Schicksalsschlägen irgendwie anders um. Erst emotional und laut und anschliessend einfach nur sachlich. Die Landbevölkerung ist teils sehr unterernährt und mager, in den Städten und den geringfügig besser gestellten Schichten ist es weniger der Fall“, führte Vincent aus.
    „Sind sie gut aussehende Leute? Ich meine, für den Fall, dass ich Ferien plane?“
    „Wie soll ich sagen, es gibt die ganze Bandbreite.“
    „Das war ei n Scherz!“ rief sie. „Planst du auszuwandern?“
    „Nach Paraguay? Wohl kaum“, erwiderte er. „Ich kann nicht allen Ernstes an einen Ort ziehen, von dem ich so genau weiss, wie viele Probleme es gibt.“
    In der Pause, die entstand, dachte Vincent darüber nach, warum er es für ausgeschlossen erachtete, in diesem blühenden Land zu bleiben. Gab es an anderen Orten wirklich weniger Schwierigkeiten?
    Schliesslich verabschiedete sich Nuuk und er wandte sich der Arbeit wieder zu. Doch als er auf dem Nachhauseweg ein kleines Abendessen kaufte, musste er an ihre Stimme denken.
     
     
    Die Agenten kamen am Abend. Sie hatten grosse Lieferwagen ohne Fenster, in die sie die weissen Säcke hievten. Sie sprachen wenig und sie grüssten kaum. Wenn die Bauern aber ihre Ware nicht bereitgestellt hatten, so griffen sie nicht selten zu Baseballschlägern und den Kolben ihrer Gewehre, um ihren Unmut deutlich zu machen. Die Bauern fürchteten die Lieferwagen und gingen den Agenten weitgehend aus dem Weg. Sie vermieden es, ihnen in Gruppen zu begegnen und in einigen Gemeinschaften bestimmten sie mit dem Los oder nach der Reihe, wer den Einkäufern entgegen treten musste. Die Agenten aber brachten Geld. Deshalb akzeptierten die Landarbeiter die Bedingungen. Sie hassten die brutalen Einkäufer, doch sie ersparten ihnen die Transportkosten für ihre Erzeugnisse und sie stellten gegen etwas Entgelt vielfach sogar das Saatgut.
    Die Bauern wussten mit den kleinen hellen Bohnen nicht viel anzufangen und liessen sich nur die Anbaubedingungen und die Erntevorgaben erklären. Ansonsten kümmerten sie sich wenig um das Kraut und auf kleinen Flächen pflanzten sie, was sie zum Essen brauchten.
    Die meisten hatten sich freiwillig gemeldet, als die Agenten durch das Land gezogen waren und die Bauern zum ertragreichen Anbau aufgefordert hatten. Sie hatten ihnen satte Gewinne in Aussicht gestellt und ihnen klaglos Kredite gegeben. Die Bauern und Landarbeiter und die landlos streunenden Tagelöhner, sie alle hatten die Aussichten verlockend gefunden und sich darauf eingelassen. Doch dann kam die Ernte und die Einkäufer sagten, der Ertrag sei zu gering und der Gewinn zu wenig, als dass sie die versprochenen Löhne würden bekommen können. Da klagten die Landarbeiter und die Tagelöhner und beschuldigten die Agenten. Doch die wussten viele Antworten und liessen die Schuld bei den Landarbeitern. Wenn diese sich aber nicht umstimmen liessen, so genügte es meist, nur einen oder zwei ernstlich niederzustrecken. So blieb den Landarbeitern nichts anderes übrig, als die Einbussen auf die eigene Kappe zu  nehmen. Wollten sie sich aber von den Agenten lossagen und wieder wie gewohnt Mais und rote Bohnen pflanzen, so sahen sie sich herben Rückschlägen

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