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Paradies. Doch kein Himmel (German Edition)

Paradies. Doch kein Himmel (German Edition)

Titel: Paradies. Doch kein Himmel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthea Bischof
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gegenüber. Manchmal wurden ihre Felder verwüstet, manchmal wurden sie angegriffen, manchmal sogar entführt oder verschleppt und vielfach kam ihre Habe in den Nächten zu schaden. Die Hütten wurden eingerissen, Steine flogen durch die Fenster und Löcher. Manch eine Familie zog fort, doch wo sie hinkamen, stellten sie fest, dass es dort nicht besser war. Die Sojabarone hatten übernommen und das Land unter ihr Regime gestellt. So herrschten die kleinen grünen und weissen Bohnen und ihre Agenten und der Ertrag ihrer Fülle verliess nachts in den verdunkelten Lieferwagen das Land.
    Bei einigen Bauern waren noch andere Agenten vorbeigekommen. Sie liessen anderes Kraut anpflanzen, die Felder waren vielfach kleiner und die Pflanzen benötigten mehr Pflege. Doch der Ertrag und der Gewinn für die Blüten und Blätter war besser. Sie hatten jedoch den Auftrag, über ihre Pflanzungen nicht zu sprechen und wenn ihre Lieferungen ausblieben, waren die Agenten oft noch brutaler als die Sojaagenten. Sie schlugen auch Frauen und Kinder nieder und manchmal schossen sie auf die Häuser und Hütten, wenn sie nicht zufrieden waren. Die Landarbeiter lebten in Angst und Schrecken und mieden jeden Kontakt.
    Was sie aber nicht wussten, war, dass die Gewinne für ihr stark duftendes Kraut beim Verlassen des Landes zwanzigmal so viel wert war, als was sie erhalten hatten. Die meisten von ihnen hörten auch kaum etwas von der Diskussion über die Legalisierung von Marihuana und dessen medizinischer Wirkung. Was hätte es ihnen auch gebracht, ein appetitanregendes Kraut zu geniessen, wo sie ohnehin nicht immer satt wurden?
     
     
    Curdin wurde zusehends frustrierter, denn seine Bemühungen fruchteten nicht wie er es sich wünschte. Sein Einsatz erlahmte auf halber Strecke und Zynismus füllte die Korrektheit seiner Handlungen. Vincent erlebte etwas wie Mitleid, obgleich ihm nicht eingefallen wäre, an was es seinem Kollege eigentlich gebrach. Weiterhin hütete er seine Geheimnisse vor diesem, denn die gemeinsame Ebene zwischen ihnen schmolz zusehends dahin.
    Drei Tage nach Neujahr jedoch überkam Curdin eine ihm völlig fremde Wut und er rief mit sich überschlagender Stimme: „Was mache ich eigentlich hier, für wen gebe ich mir eigentlich diese Mühe? Ich kenne diese Idioten doch gar nicht, die angeblich davon profitieren, dass ich mir ein Bein und noch das zweite ausreisse!“
    Im herrschenden Entsetzen, das die Mitarbeiter erschütterte, packte ihn Vincent am Arm und sagte: „Komm mit, ich stelle dir jemanden vor, für den du arbeitest und wo es sich lohnt!“
    Sie gingen zu Ignacios Taverne und Vincent bestellte eine Runde, um dem Wirt Curdin dann vorzustellen.
    „Guten Abend“, sagte Curdin steif, denn sein Ausbruch war ihm peinlich und unbegründet fürchtete er, Ignacio könnte davon gehört haben. Dieser aber zeigte sich freundlich und betrachtete den blassen Curdin mit verwundertem Interesse.
    Auf Vincents Frage, wie der Laden denn laufe, seufzte Ignacio tief und erzählte, es werde immer schlimmer. Er könne kaum mehr seine Lieferanten bezahlen, auch nicht in anderen Gegenleistungen als Geld.
    „Was sind das denn für Gegenleistungen?“ fragte Curdin konsterniert.
    „Tja, bis jetzt, wenn ich nicht habe zahlen können, habe ich jemanden schicken können, der dem Lieferanten hilft. Zum Beispiel einen Cousin, der beim Laster abladen hilft oder so. Das machen viele Leute so, wenn sie nicht zahlen können.“
    „So wie Tauschhandel?“ fragte Curdin und Ignacio bejahte.
    „Aber inzwischen gibt es zu viele Leute, die Arbeit brauchen und zu wenig, was man dafür bekommen kann. Verstehst, du, die Leute sind nichts mehr wert“, fuhr Ignacio fort. „Wir haben kaum mehr eine Speisekarte, das Bier wird knapp, Cola und so haben wir sowieso nur noch zu horrenden Preisen und ständig kommt jemand und verlangt seine Bezahlung. Aber wie soll ich denn zahlen, wenn ich nichts verkaufen kann? Es ist ein Teufelskreis und ich weiss bald nicht mehr, was ich tun soll. Meine Schwester hat zwei Kinder, nach denen müssen wir doch sehen. Wenn ich allein wäre, könnte ich mich ja irgendwie durchschlagen, aber so, wo ihre beiden Männer sie nacheinander verlassen haben, da bleibt nichts, als zu krüppeln und zu hoffen, dass es irgendwie weiter geht.“
    Ignacio wiegte langsam den Kopf, den Blick auf den Tisch gerichtet in blinder Starre. Curdin blickte den Mann an und versuchte sich vorzustellen, was er darauf hätte antworten können. Er

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