Paradies. Doch kein Himmel (German Edition)
Familie benutzt, um sich über deren Einkünfte zu bereichern?“ fragte Ruiz nun, offensichtlich einem Fragenkatalog vor sich folgend.
Vincent fühlte, wie ihm der Schweiss aus den Poren brach und sein Magen krampfte sich zusammen. Es war wohl der widersinnigste Vorwurf, den man ihm machen konnte. Aber die Demokratie in Paraguay war jung und Rechtsstaatlichkeit eine Papierweisheit. All die Jahrhunderte hindurch war die Obrigkeit, wem auch immer sie gehorchte, mit Gewalt und während der Diktatur mit vielberichteter Folter vorgegangen. Amtsmissbrauch und Korruption prägten das Land und die überkommenen Strukturen blieben fühlbar. Es waren dies die Missstände, wegen derer der Internationale Ring im Land war. Vincent kannte die Gründe, wegen welcher es so wenig empfehlenswert war, in die Mühlen paraguayischer Justiz geraten.
Vincent überlegte fieberhaft, was er nun am besten tun sollte. Er hatte die Wahl, die Aussage zu verweigern und auf sein Recht zu bestehen, die Botschaft zu kontaktieren. Oder er konnte die Fragen beantworten. Jedoch war die erste Frage, die er gehört hatte derart absurd, dass er vermuten konnte, die folgenden würden nicht besser sein. Dieser Weg schien von sprachlichen und juristischen Fallstricken gepflastert und Consuelos Warnung klang ihm im Ohr.
„Ich kann dazu nichts sagen, ohne mit der Botschaft gesprochen zu haben“, erwiderte Vincent darauf.
„Beantworten Sie die Frage, Herr Thal“, wiederholte Ruiz.
„Ich bestehe auf mein Recht, die Botschaft zu sprechen“, sagte Vincent und ballte beide Hände zur Faust. Er hoffte, gelassener auszusehen als er es war.
Ruiz mass ihn mit arrogantem Blick und zwischen ihren Augen entspann sich eine Art Duell. Vincent schob ohne es zu bemerken die Unterkiefer vor und starrte auf den rundlichen Ruiz, bis dieser schliesslich den Blick senkte. Er hob einen massigen Stempel aus seiner niedlich anmutenden Halterung und setzte das schwere Gerät unter das Schreiben vor sich.
„Da Sie nicht bereit sind, unsere Fragen zu beantworten, muss ich vermerken, dass Sie die Ermittlungen der Staatsgewalt behindern. Legen Sie alle Ihre Habseligkeiten mit Ausnahme ihrer Kleidung ab und folgen Sie mir bitte“, sagte er und erhob sich.
„Wohin wollen Sie denn?“ fragte Vincent, geflissentlich sein Entsetzen über die Eröffnung überspielend.
„Folgen Sie mir“, sagte Ruiz nur und als Vincent sitzen blieb, nahmen ihm die beiden Uniformierten Uhr, Telefon und Sonnenbrille ab, hoben ihn an den Schultern hoch und schoben ihn mit unmissverständlichem Druck in den Gang.
„Ich will mit der schweizerischen Botschaft sprechen“, rief Vincent laut. Bis sie den leeren, fensterlosen Raum erreichten, hatte er es fünfmal gerufen. Die Uniformierten schoben ihn in die Türöffnung, doch er stemmte sich mit beiden Beinen gegen ihren Druck. Kurzerhand trat ihm der eine der beiden mit dem Haken gegen das Schienbein, während der andere ihn vorwärts stiess. Vincent stürzte und fiel hart auf beide ausgestreckten Hände. Hinter sich hörte er das das metallische Zuschnappen der schweren eisernen Türe.
Vincent war allein. Langsam richtete er sich auf und rieb sich sein schmerzendes Bein. Schliesslich lehnte er sich gegen die Wand, betrachtete seine geröteten Handflächen und stiess einen himmelslästerlichen Fluch aus.
Was war nur geschehen?
Zwischen blanken Säulen sammelten sich die illustren Gäste. Gedecktes Perlmutt herrschte vor und nur das überbordende Gold überstrahlte noch die schimmernde Helligkeit des durchscheinenden Marmors. Nichts, das im Raum nicht glänzte. Unter den leise singenden Lüstern standen bauchige Herren neben hungergewohnten Damen und üppige Bäuche streiften beiläufig ausgeschmalte Taillen.
Der prunkende Saal des Hotels International in Rio de Janeiro beherbergte die Inauguration des Ministers des Inneren. Angetreten waren all die, welche seinen Weg mit Zuversicht und Wohlwollen verfolgt hatten, die ihm die Wege bereitet und auf seinen Erfolg erwartet hatten. Es waren die hohen Tiere aus Politik und Militär, es sammelten sich die Magnaten und die Diplomaten und zwischen ihnen standen ihre reichen Schlächter und ihre teuren Handlanger und hoben die Gläser. Hier wurden die Gelder, die Pulver, die Waffen verteilt, zugeteilt, Prozente vereinbart und Anteile versprochen. Fotomodelle im Reigen trugen ihre Reize so hoch wie ihren Mut und erbeuteten wie bei einer Grosswildjagd reiche Herren.
Als die Nacht sich senkte
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