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Paradies. Doch kein Himmel (German Edition)

Paradies. Doch kein Himmel (German Edition)

Titel: Paradies. Doch kein Himmel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthea Bischof
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hinnehmen wollte und konnte. Er hatte sich stark, ja unbesiegbar gefühlt, komme was da wolle. Nun aber stand er im Angesicht einer Realität, die wenig mehr von dem Spielraum offenliess, den er zuvor genutzt hatte. Hatte er sein Schicksal herausgefordert? Hatte er sich verrechnet? Hatte er verspielt?
    Vincent runzelte die Stirn im Gedanken, dass er Curdin nicht erreicht hatte. Dieser war um diese Zeit sonst meistens schon an seinem Schreibtisch und verliess denselben nur in Notfällen. Ob er bereits informiert war? Ob er sich für ihn einsetzte?
    Vincent legte den Kopf auf die Rückbank und blickte an die Decke des Wagens, auf dessen Polyesterstoff zahlreiche Wasserflecke den obligaten Fliegendreck umzirkelten.
     
     
    Auf dem Revier begegnete Vincent einem alten Bekannten. Enrico Ruiz sass am Schreibtisch, als die beiden Uniformierten ihn herein geleiteten und hinter ihm stehen blieben, als er sich auf den angewiesenen Stuhl setzte. Das Fenster hinter Ruiz blendete Vincent, so dass er den Gesichtsausdruck des Polizisten kaum zu erkennen vermochte.
    „Guten Morgen Herr Thal“, sagte er, sich halb von seinem Sitz erhebend.
    „Guten Morgen Herr Ruiz“, erwiderte Vincent formell. Er war nervös und enthielt sich einer ironischen Bemerkung.
    „Wie ich sehe, setzen Sie sich über die Gepflogenheiten und Vorschriften von Paraguay ohne grosse Bedenken hinweg. Ich bin nicht einmal besonders überrascht, ich habe Sie bereits so kennen gelernt. Sie erinnern sich?“ fragte Ruiz.
    „Haben Sie?“ erwiderten Vincent und dachte an Consuelos Empfehlung, den Mund zu halten. Sie hatte ihm auch nahegelegt, Luz herbeizurufen, aber das unterliess er lieber. Diese hatte ihm deutlich genug gemacht, dass sie wenig davon hielt, mit ihm in privater Verbindung zu stehen. Wenn sie nicht wollte, dass ihre Kollegen bei der Polizei wussten, dass sie aus La Chacarita stammte, wollte sie sicher noch weniger, dass man sie als in irgendeiner Weise ihm nahestehend erachtete. Also unterliess er es, Consuelos Rat zu folgen und schlug deshalb einen anderen Weg ein:
    „Verehrter Herr Ruiz, ich verstehe nicht, warum Sie mich morgens aus meiner Wohnung holen und hierher bringen. Ich möchte mich mit meinem Vorgesetzten beim Internationalen Roten Ring besprechen. Kann ich das bitte?“
    Ruiz ging seine Akte vor sich durch und erwiderte langsam: „Hier steht, dass Sie keinen Vorgesetzten haben. Sie arbeiten nicht mehr beim Roten Ring.“
    Vincent liess sich gegen die Lehne fallen und zog die Brauen hoch. Wann war das geschehen? Gestern war er wie immer im Büro gewesen, hatte während der Pause mit Kollegen und mit Curdin Kaffee getrunken – und heute arbeitete er nicht mehr dort? Er staunte. Vor seinem inneren Auge sah er Scherben splittern und wie trockenes Klirren brach seine Karriere in tausend Stücke. Vincent legte die Handflächen an die Schläfen und schloss kurz die Augen. Er bereute, sich Curdin anvertraut zu haben. Er bereute, sich eingesetzt zu haben. Wut stieg in ihm auf, Wut darüber, dass der korrekte Curdin es vorgezogen hatte, ihn loszuwerden, anstatt sich an seine Seite zu stellen. Erwartete er damit zu viel von dem braven Bündner?
    „In diesem Falle möchte ich mit der schweizerischen Botschaft telefonieren. Können Sie mir einen Telefonapparat zur Verfügung stellen?“ sagte Vincent schliesslich.
    „Warum wollen Sie die Botschaft anrufen? Wir haben Sie nur hergebracht, um Ihnen ein paar kleine Fragen zu stellen. Wenn Sie die beantwortet haben, können Sie nach Hause gehen“, erwiderte Ruiz.
    „Sehen Sie, dafür reicht mein Spanisch nicht aus. Ich fürchte, mich nicht exakt genug ausdrücken zu können. Deshalb würde ich gerne mit der Botschaft sprechen“, beharrte Vincent, während die beiden Uniformierten hinter ihm diskret einen Schritt näher traten.
    „Es ist mir unverständlich, warum Sie das wollen. Wir wünschen keine Auseinandersetzung mit Ihrer Botschaft. Es reicht uns, wenn Sie unsere Fragen beantworten“, widerholte Ruiz und ungeachtet des Gegenlichts erkannte Vincent nun deutlich, dass die Laune des anderen merklich sank.
    Er lehnte sich nach vorne, stützte die Ellbogen auf seine Knie und sagte: „Ich glaube es ist jederzeit mein Recht, mich an die Botschaft zu wenden.“
    „Sie glauben? Sie sind sich nicht sicher und ich sage Ihnen, das wird nun nicht geschehen“, erwiderte Ruiz und Vincent merkte, dass er in die Falle gegangen war.
    „Ich will von Ihnen wissen: Haben Sie Herrn Cevas und seine

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