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Paradies. Doch kein Himmel (German Edition)

Paradies. Doch kein Himmel (German Edition)

Titel: Paradies. Doch kein Himmel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthea Bischof
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vorzustellen vermochte.
    Als das Mädchen das sie war hatte Luz ihre Gefühle unter Verschluss und ihre Miene blieb ungerührt. Sie reagierte auf die Geschichte wie auf jeden anderen Klatsch. Doch nachmittags fand sie diskret heraus, was Vincent angelastet wurde, dass er in keiner gewöhnlichen Zelle, sondern einem Verhörraum untergebracht war, wie viele Toilettenbesuche ihm zustanden und dass das Hilfswerk auf jede Unterstützung seiner verzichtete. Sie staunte.
    Als sie weiterlas, atmete sie auf, denn sie stellte fest, dass Consuelo mit keinem Wort erwähnt war.
     
     
    Consuelo hatte die Türe hinter sich geschlossen. Es war elf Uhr nachts und niemand würde sie stören. In der kleinen Kapelle war nur sie.
    Sie steckte die Kerzen an und kniete nieder auf ein kleines Kissen, das sie mitgebracht hatte. Nun sprach sie das erste Ave Maria. Dann erhob sie sich und goss Wasser in ein Glas, das stellte sie neben die Kerze auf den Schemel vor sich. Dann legte sie ein Stück Wachs dazu und ein hölzernes Scheit.
    „Kommt nun hervor, ihr Freunde der anderen Welt, kommt hervor, nun, da wir Lebenden euch brauchen“, sagte sie murmelnd. Sie hob das Stück Wachs über die Kerze, so dass es immer weicher in ihrer Hand wurde und begann es sanft und gemächlich zu kneten. Schliesslich widerholte sie: „Kommt hervor, ihr Freunde aus dem Jenseits, kommt und helft und Lebenden.“
    Sie fächelte mit dem Scheit den Duft des Wachses durch den Raum, während sie zum dritten Male sprach: „Kommt nun, ihr Freude der anderen Welt, kommt, steht uns bei, nun da wir eurer Hilfe bedürftig sind.“
    Da veränderte sich der Raum, die Kälte der Toten drang herein und vielfaches Flüstern und feine Tritte waren zu hören. Es traten hinzu die Verstorbenen, die Geister aus langvergangenen Jahrhunderten, die Lemuren und die Gespenster alter Gier und böser Taten. Wie Rauschen erfüllten sie den Raum und niemand hätte sie gesehen als die zarte Consuelo bei ihrem Schemel ganz allein. Nun lud sie sie ein, bei ihr zu sitzen und sie gruppierten sich um sie, nahmen Platz und einige hielten sich fern dem Kruzifix, denn sie wussten noch, weshalb sie es scheuten. Consuelo, sie wusste es auch. Sie kannte sie alle, die nun gekommen waren, sie wusste von allen, weshalb sie ihre Freunde waren. Sie alle hatte sie einst aus ihren Ketten der Erdverdammung gelöst, hatte sie verwiesen auf die Welt, der sie nun angehörten, da sie das Leben verlassen hatten.
    Doch nun, da Consuelo mehr Kraft benötigte, als sie sie allein aufbringen konnte, da rief sie sie herbei. Sie wusste, wie sie die Grenze zu ziehen hatte, so dass sie sich nicht zu nahe ihrem warmem Blut gesellten. Sie wusste, wie sie sie führen musste, dass sie ihr halfen, ohne sie zu berauben. Gar leicht war es doch, sich gegenüber den Totenseelen zu verlieren und in die Zwischenwelt zu gleiten. Es war ein Sog, in den Bann ihrer Flüche und ihrer Begierden zu fallen, denn stark sind die Dämonen über den Tod hinaus.
    Aber Consuelo kannte die Schranken, die es zu halten galt. Deshalb hatte sie die Totenseelen geladen, waren auch einige einst schreckliche Menschen gewesen, die nun in die Kapelle getreten. Da war der Henker, dem sie das Joch abgenommen, das ihn in die Fortführung seiner  Frevel getrieben hatte, da war die Alte, die immer geschrien, geschreckt, nie geliebt, nie gehegt hatte. Da war auch Manolo, der Ladenbesitzer, der nun den Frieden gefunden hatte und nur blass zu Gast war auf das dringende Rufen des Kindes hin.
    „Geht nun hin nach dem Haus, da die Polizei in Asunción ihren Platz hat, geht dort hin und helft in Gottes Namen, helft, Vincent Thal zu befreien. Lasst verschwinden die Hindernisse, lasst dahinsinken die Schrecknisse, macht ihn frei und frank, gebt ihm wieder, was ihm genommen“, sagte Consuelo eindringlich in singender Stimme und die Totenseelen horchten ihrer Worte. In ihrem Geist formte Consuelo ein Bild, mit dem sie die Geister beschenkte, sie gab ihnen Richtung und Kenntnis, so dass sie ihm beistünden.
    Dann sprach sie ein Gebet und schloss sie alle mit ein, denn gar kalt ist die Totenwelt, wenn niemand ihnen mehr wacht und ihrer gedenkt. Dann zogen die Totenseelen gegen die Stadt und sie wirkten im Sinne der kleinen Consuelo, als sie die Riegel frisch legten, die Blicke lenkten, die Richtungen verschoben, die Blätter hervorrückten.
    Consuelo schloss das Tor, die sie geöffnet hatte und versiegelte die Schwelle, die den Menschen verschlossen sein soll. Sie sprach

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