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Paradies für alle: Roman (German Edition)

Paradies für alle: Roman (German Edition)

Titel: Paradies für alle: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antonia Michaelis
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noch alles schön, da wird er erst geboren.«
»Ja, jedes Jahr«, sagte Lotta. »Komisch.«
Und dann haben wir Rosekast ein Weihnachtsgeschenk gebracht, durch den verschneiten Wald, und das war eigentlich das Schönste am ganzen Weihnachten. Er saß draußen auf seiner Bank, obwohl es schon wieder schneite. Das Geschenk war eine Fellmütze, die ich im Keller gefunden hatte, weil Claas allergisch gegen sie ist. Lovis hat sie ihm mal geschenkt, aber sie ist aus Kaninchenfell, und sie hatte vergessen, dass Claas eine Kaninchen-Allergie hat. Lotta hatte das Geschenkpapier gemacht, weil sie auch etwas beisteuern wollte; sie hatte lauter linierte Blätter aus einem Schulheft gerissen und mit Tesa zusammengeklebt und mit grünen Filzstiftherzen bemalt, weil Herzen das Einzige sind, was Lotta malen kann, und weil nur ihr grüner Stift noch ging, sagte sie.
Rosekast packte das Geschenk gleich aus, obwohl erst der 22. war, weil er auch wusste, dass Jesus gar nicht an Weihnachten geboren worden war. Er strich das Grüne-Herzen-Papier sorgfältig glatt und legte es als Lesezeichen in das Buch, das er gerade las. Dann strich er über das silbergraue Fell der Mütze und setzte sie auf den Kopf.
»Ich dachte, die können Sie gut brauchen, wo Sie doch immer draußen sitzen zum Nachdenken«, sagte ich.
»Kann ich ausgesprochen gut brauchen«, sagte Rosekast.
»Wir haben uns über Jesus unterhalten«, sagte ich. »Wissen Sie was über den?«
Und dann erzählte uns Rosekast, was er über Jesus wusste. Falls Sie das nicht wissen: Sie können das nachlesen, in der Bibel, im zweiten Teil, dem neuen, deshalb schreibe ich es hier nicht auf.
Als wir wieder nach Hause gingen, durch den Schnee, sang Lotta sehr falsch Stille Nacht, und das ist das komischste Weihnachtslied, das es gibt, denn sobald man es singt, ist es ja nicht mehr still.
Aber Weihnachten ist auch ein komisches Fest, weshalb es wieder passt. Ich meine, da feiert man den Geburtstag eines Kindes, das gar nicht an dem Tag geboren wurde und dessen Vater es überhaupt nicht gibt und das vielleicht jemand ganz anderer war. Und das nur deshalb als Mensch gelebt hat, um für die Menschen zu sterben.
Wenn das nicht das komischste Fest aller Zeiten ist.

24.12.
Jetzt ist Weihnachten vorbei. Claas war zu Hause, was schön war. Er hat vor dem Weihnachtsbaum versucht, Lovis zu küssen, aber sie war beschäftigt damit, die Kerzen anzuzünden.
Wir waren im Weihnachtsgottesdienst in der Kirche in der Stadt, und ich habe den Karton mit den Spenden für Frau Hemke mit nach Hause genommen, und auch den von der Kirche hier bei uns, den wir außen angebracht hatten, für die Touristen, die eventuell vorbeikommen.
Der eine Karton war leer. Im anderen war ein welkes Blatt.
Ich habe sehr viele Dinge zu Weihnachten bekommen, die ich alle nicht brauchen kann.

8.
    Ich schlug die Mappe zu und saß eine Weile ganz still da.
    Wenn ich die Augen schloss, konnte ich die Weihnachtszeit noch riechen. Sie hatte sich irgendwo in den Ritzen zwischen den Balken und Brettern verfangen, der Geruch von Hunderten von Weihnachtszeiten hing dort fest, das Haus war alt. Fünfzehn dieser Weihnachtszeiten hatte ich mit Claas in diesem Haus verbracht, neun davon mit David. Es hatte, wie gesagt, gedauert, bis David sich entschieden hatte, zu uns zu kommen, und manchmal hatte ich gedacht, er käme nie. In meinem Kopf hatte es ihn seit meinem ersten Tag im alten Pfarrhaus gegeben. Hier werden wir also von nun an wohnen, hatte ich gedacht, hier werden wir eine richtige Familie sein, Claas und ich und das Kind, das wir bekommen werden. Und dann hatte sich das Kind, David, ganze sieben Jahre lang gegen eine Existenz in der Realität gewehrt.
    Wie wunderbar war es gewesen, endlich zu wissen, dass es ihn wirklich, tatsächlich geben würde, und ihn schließlich im Arm zu halten! Ich erinnerte mich an unser erstes Weihnachten mit David, wir waren in den Wald gestapft, um einen Baum zu schlagen, Claas mit der illegalen Axt und ich mit David in seinem dicken wattierten Anzug, im Tragegestell. Er hatte an Weihnachten seinen ersten Zahn bekommen und die ganze Nacht geschrien, und wir waren übermüdet und entnervt gewesen, und der Baum hatte schief im Ständer gestanden, und ich hatte Claas’ Geschenk irgendwo verlegt, wo ich es nicht finden konnte, und wir hatten uns geliebt.
    Wir waren schon auf verschiedenen Gleisen unterwegs gewesen, aber noch hatten wir uns von Zugfenster zu Zugfenster die Hand reichen können.
    Und all die

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