Paradies für alle: Roman (German Edition)
für Frau Hemke, denn ich würde Frau Hemke besuchen. Als ich die Kekse aus dem Ofen holte, fühlte ich mich besser, ich fühlte mich sogar gut – ich fühlte mich wie ein Schulmädchen, das seine Hausaufgaben gemacht und sein Haar gekämmt hat und jetzt bereit ist, seinem Lehrer, in den es ein bisschen verliebt ist, mit einem stolzen Lächeln gegenüberzutreten.
Ich ging mit einer Tasse Kaffee wieder nach oben, um im Buch der Weisheiten meines Lehrers weiterzulesen.
»Das Buch der Weisheiten«, flüsterte ich. »Fünfdimensionale Kühe, Sintfluten aus Milch, und alles ist fast dasselbe wie nichts.« Der Hund schüttelte müde den Kopf.
23. Dezember
Liste der Dinge, die geschehen sind:
Es hat geschneit.
Ich habe noch einen Karton für Frau-Hemke-Spenden aufgestellt, bei der Kirche in der Stadt, als ich mal nach der Schule noch Zeit hatte. Finn und Peter haben sich gewundert. In letzter Zeit mache ich gar nicht mehr so viel mit Finn und Peter, was schade ist. Ich freue mich schon darauf, wenn die Paradieswerkstatt zu Ende ist, damit ich mal wieder Zeit für einfache Sachen wie Finn und Peter und Fußballspielen habe.
Der Milchbauer hat Celia entlassen. Sehr viele Leute reden jetzt über sie. Aber nicht wegen der Kühe, sondern, weil sie sich fragen, wer der Vater von dem Baby in ihr ist. Celia will nicht darüber reden, und die Leute reden trotzdem, weil die Leute bescheuert sind. Deshalb ist Celia jetzt auf meiner Liste.
Ich habe noch zweimal Blitzlichtfotos gemacht, weil die Jungs im Bushäuschen wieder auf René geworfen haben, diesmal Schneebälle, und ich glaube, jetzt denken sie, jemand macht IMMER Fotos, wenn sie irgendetwas auf René werfen, und René hat gesagt, jetzt haben sie damit aufgehört.
Der Hund wohnt immer noch im Schuppen, und ich habe ihm einen großen Pappkarton hingestellt mit einer sehr dicken Decke darin, die vorher auf dem Sofa lag. Lovis hat mich gefragt, was mit der Decke passiert ist, und ich habe gesagt, ich weiß es nicht, und Claas war nicht da und konnte deshalb nichts fragen. Ich habe ihm einen Brief geschrieben, dass ich mir wünsche, dass er an Weihnachten da ist und keinen Dienst in der Klinik hat.
Lotta hat gesagt, sie will Weihnachten in die Kirche gehen, weil sie das noch nie gemacht hat.
Ich habe ihr gesagt, dass es sowieso keinen Gott gibt, das sieht man ja an der Sache mit der Kuh, aber sie hat gesagt, man kann nie wissen. Deshalb sind wir gestern in die Kirche neben unserem Haus eingebrochen. Es war noch nicht ganz Weihnachten, aber ich habe Lotta erklärt, dass das egal ist, weil Jesus höchstwahrscheinlich sowieso nicht an Weihnachten geboren wurde und nicht mal im Jahr 0, was ich neulich nachgelesen habe.
Es war nicht schwierig, in die Kirche einzubrechen. Erstens ist dort keiner, außer wenn jemand den Friedhof besucht, und zweitens hat keiner an diesem Tag den Friedhof besucht. Das alte Türschloss ist kaputt, und jemand hat irgendwann einen modernen Schnappverschluss eingebaut. Eine EC-Karte reicht völlig aus, um ihn zu öffnen. Ich habe die von Lovis genommen, sie legt ihr Portemonnaie immer aufs Fensterbrett, und sie hat nichts gemerkt.
In der Kirche war es windstill und deshalb ein bisschen wärmer als draußen.
Ich habe eine Packung Kerzen mitgenommen, die haben wir vorne in die Leuchter gesteckt und angezündet, und dann haben wir uns in die erste Kirchenbank gesetzt, und Lotta hat gesagt, es wäre sehr feierlich.
»Was genau war denn nun an Weihnachten?«, sagte sie. »Ich meine, da ist Jesus geboren worden, aber sonst?«
»Es war noch ein Stern da«, sagte ich. »Über der Krippe. Aber das lässt sich astronomisch erklären, den gab es wirklich. Die Engel, die da herumflogen, lassen sich sicher auch erklären, große Wüstenvögel oder so.«
»Muss man das denn erklären?«, fragte Lotta. »Ist doch auch schön einfach so. Sag mir mal, der Jesus, was hat der noch mal gemacht?«
»Leute geheilt«, sagte ich. »Aber erst später, als er erwachsen war. Und dann haben sie ihn umgebracht, später, ans Kreuz genagelt, weil er gesagt hat, er ist Gottes Sohn.«
»War er das denn?«, fragte Lotta.
»Wie denn, wenn es Gott gar nicht gibt«, sagte ich.
Ich sah mich um, aber in der Kirche gab es kein Kreuz und keinen Jesus, sie war einfach nur alt und kahl und gerade deswegen war sie schön.
»War der schon tot, als sie ihn ans Kreuz genagelt haben?«, fragte Lotta.
»Nein«, sagte ich. »Ich glaube, man erstickt, wenn man gekreuzigt wird. Aber Weihnachten ist ja
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