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Paradies Pollensa

Paradies Pollensa

Titel: Paradies Pollensa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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jemandem über familiäre Sorgen zu sprechen.«
    »Sie glauben also, dass familiäre Sorgen ihn veranlassten, sich das Leben zu nehmen?«
    Miss Lingard machte einen ziemlich überraschten Eindruck.
    »Aber natürlich! Gibt es denn eine andere Möglichkeit?«
    »Sie sind überzeugt, dass familiäre Sorgen ihn bedrückten?«
    »Ich weiß, dass ihn irgendetwas schrecklich bedrückte.«
    »Ach, das wissen Sie?«
    »Aber natürlich.«
    »Sagen Sie, Mademoiselle – hat er mit Ihnen darüber gesprochen?«
    »Wie schon erwähnt, nicht unmittelbar.«
    »Was sagte er denn?«
    »Lassen Sie mich einen Moment überlegen. Zum Beispiel merkte ich, dass er manchmal anscheinend gar nicht begriff, was ich ihm erzählte…«
    »Einen Moment. Pardon. Wann war das?«
    »Heute Nachmittag. Gewöhnlich arbeiten wir von drei bis fünf.«
    »Erzählen Sie bitte weiter.«
    »Wie ich schon sagte, fiel es Sir Gervase anscheinend schwer, sich zu konzentrieren – er erwähnte es sogar selbst und fügte noch hinzu, dass verschiedene ernste Angelegenheiten ihn stark beschäftigten. Und er sagte – warten Sie, er sagte ungefähr folgendes: ›Es ist entsetzlich, Miss Lingard, wenn eine Familie, die zu den stolzesten des Landes gehörte, plötzlich mit Schande bedeckt wird.‹«
    »Und was sagten Sie daraufhin?«
    »Ach, irgendetwas Besänftigendes. Ich sagte, glaube ich, dass in jeder Generation Schwächlinge aufträten – dass das die Schattenseite der Größe sei –, dass ihr Versagen bei der Nachwelt jedoch meistens in Vergessenheit geriete.«
    »Und hatte das den besänftigenden Erfolg, den Sie erhofften?«
    »Mehr oder weniger. Wir wandten uns dann wieder Sir Roger Chevenix-Gore zu. Aber Sir Gervases Aufmerksamkeit beschäftigte sich mit anderen Dingen. Schließlich sagte er, er wolle für dieses Mal mit der Arbeit aufhören. Er sagte, er hätte einen Schock bekommen.«
    »Einen Schock?«
    »Das sagte er. Natürlich stellte ich keine Fragen. Ich erwiderte nur: ›Das tut mir Leid, Sir Gervase.‹ Und dann bat er mich, Snell zu sagen, dass Monsieur Poirot käme und das Abendessen deshalb erst um acht Uhr fünfzehn begänne. Und dass der Wagen zu dem Zug um zehn vor acht geschickt werden solle.«
    »Bat er Sie gewöhnlich darum, derartige Vorkehrungen zu treffen?«
    »Ich – nein – das gehörte eigentlich zu Mr Burrows’ Aufgaben. Ich hatte lediglich mit dem Buch zu tun.«
    »Glauben Sie«, fragte Poirot, »dass Sir Gervase einen triftigen Grund hatte, Sie – und nicht Mr Burrows – in diesem Fall zu bitten, das Erforderliche zu veranlassen?«
    Miss Lingard überlegte.
    »Möglich wäre es schon… Heute Nachmittag habe ich mich allerdings um diese Frage nicht gekümmert. Ich glaubte nur, es wäre so am einfachsten. Und dabei fällt mir ein, dass er mich sogar bat, niemandem zu sagen, dass Monsieur Poirot käme. Es sollte eine Überraschung sein.«
    »Aha! Sehr merkwürdig, sehr interessant. Und haben Sie es vielleicht irgend jemandem weitererzählt?«
    »Aber nein, Monsieur Poirot! Ich sagte Snell wegen des Abendessens Bescheid und dass er den Chauffeur zum Zug um zehn vor acht schicken solle, da ein Herr erwartet würde.«
    »Hat Sir Gervase sonst noch irgendetwas geäußert, was in dieser Situation von Bedeutung sein könnte?«
    Miss Lingard dachte nach.
    »Nein – das glaube ich nicht, er war allerdings auch sehr nervös. Und ich erinnere mich, dass er sagte, als ich das Zimmer gerade verließ: ›Obgleich es eigentlich gar keinen Sinn hat, dass er noch kommt – dazu ist es zu spät!‹«
    »Und Sie haben keine Ahnung, was er meinte?«
    »N-nein.«
    Nur ein ganz leiser Anflug von Unentschlossenheit bei der Verneinung. Mit gefurchter Stirn wiederholte Poirot: »Zu spät! Das hat er also gesagt, nicht wahr? Zu spät!«
    »Sie können uns keinen Hinweis auf die Art jener Umstände geben«, fragte Major Riddle, »die Sir Gervase Sorgen machten, Miss Lingard?«
    Bedächtig sagte Miss Lingard: »Ich könnte mir vorstellen, dass es in irgendeiner Weise mit Mr Hugo Trent zu tun hatte.«
    »Mit Hugo Trent? Wie kommen Sie darauf?«
    »Gestern Nachmittag beschäftigten wir uns gerade mit Sir Hugo de Chevenix, und da sagte Sir Gervase: ›Meine Schwester wollte ihrem Sohn unbedingt den in der Familie vorkommenden Namen Hugo geben! Dabei hat dieser Name in unserer Familie nie einen guten Klang gehabt. Sie hätte wissen müssen, dass aus einem Hugo nie allzu viel wird.‹«
    »Was Sie uns erzählen, ist sehr bedeutungsvoll«, sagte Poirot.

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