Paradies Pollensa
er fort: »Jetzt ist mir wieder eingefallen, was ich von Ihnen wissen wollte. Heute Abend, Mademoiselle, als Snell gemeldet hatte, dass die Tür zum Arbeitszimmer abgeschlossen sei, und wir alle daraufhin nachschauten, bückten Sie sich und hoben irgend etwas auf.«
»Habe ich etwas aufgehoben?« Miss Lingard schien sehr überrascht zu sein.
»Ja – als wir in den Gang zum Arbeitszimmer einbogen. Irgend etwas Kleines und Glänzendes.«
»Wie merkwürdig – ich kann mich wirklich nicht erinnern. Warten Sie – doch, es stimmt. Ganz instinktiv hatte ich es aufgehoben. Einen Moment – ich muss es hier haben.«
Sie klappte ihre schwarze Seidenhandtasche auf und schüttete den Inhalt auf den Tisch.
Interessiert betrachteten Poirot und Major Riddle das Sammelsurium. Es bestand aus zwei Taschentüchern, einer Puderdose, einem kleinen Schlüsselbund, einem Brillenetui und einem weiteren Gegenstand, nach dem Poirot sofort griff.
»Ein Geschoss – bei Gott!« sagte Major Riddle.
Das Ding war tatsächlich wie ein Geschoss geformt, erwies sich dann jedoch als kleiner Bleistift.
»Das habe ich aufgehoben«, sagte Miss Lingard. »Ich hatte es ganz vergessen.«
»Wissen Sie, wem es gehört, Miss Lingard?«
»Aber ja – Colonel Bury. Er hat sich den Bleistift aus einem Geschoss anfertigen lassen, von dem er im Burenkrieg verwundet wurde.«
»Und wissen Sie auch, wann es sich noch in seinem Besitz befand?«
»Heute Nachmittag beim Bridge. Als ich nämlich zum Tee kam, fiel mir auf, dass er damit seine Eintragungen machte.«
»Wer spielte Bridge?«
»Colonel Bury, Lady Chevenix-Gore, Mr Trent und Miss Cardwell.«
»Ich glaube«, sagte Poirot, »dass wir es hier behalten und es dem Colonel selbst zurückgeben.«
»Ach, das wäre nett! Ich bin nämlich so vergesslich.«
»Vielleicht, Mademoiselle, wären Sie so gut und bäten Colonel Bury, zu uns zu kommen.«
»Selbstverständlich. Ich werde ihm sofort Bescheid sagen.«
Sie verschwand eilends.
Poirot stand auf und begann ziellos im Zimmer herumzuwandern.
»Wir fangen an«, sagte er, »den Nachmittag zu rekonstruieren. Das ist sehr interessant. Um halb drei sieht Sir Gervase mit Captain Lake einige Abrechnungen durch. Er ist leicht aufg e regt. Um drei spricht er mit der Lingard über das Buch, das er gerade schreibt. Er macht einen zie m lich bedrückten Eindruck. Diese Bedrücktheit bringt Miss Lingard aufgrund einer zufälligen Bemerkung mit Hugo Trent in Verbindung. Beim Tee ist sein Verhalten normal. Nach dem Tee ist er, wie Godfrey Burrows berichtet, ä u ßerst zufrieden. Um fünf Minuten vor acht kommt er herunter, geht in sein Arbeitszimmer, kritzelt SORRY auf einen Bogen und erschießt sich!«
Langsam sagte Riddle: »Ich verstehe, was Sie meinen. Das alles ist nicht folgerichtig.«
»Merkwürdige Stimmungsschwankungen bei Sir Gervase Chevenix-Gore! Und dann dieser Ausspruch von ihm: Es ist zu spät! Dass ich also ›zu spät‹ käme! Damit hat er immerhin Recht behalten. Ich bin tatsächlich zu spät gekommen, um ihn noch lebend anzutreffen.«
Poirot wanderte noch immer im Zimmer umher. Jetzt schlenderte er zum Schreibtisch und blickte in den Papierkorb. Bis auf eine Papiertüte war er leer. Poirot holte die Tüte heraus, roch daran, murmelte »Apfelsinen«, strich sie glatt und las den aufgedruckten Namen: »Carpenter and Sons, Fruiterers, Hamborough St. Mary.« Er faltete die Tüte gerade säuberlich zusammen, als Colonel Bury in das Zimmer trat.
Der Colonel ließ sich in einen Sessel fallen, schüttelte den Kopf, seufzte und sagte: »Eine schreckliche Geschichte ist das, Riddle. Lady Chevenix-Gore trägt es wunderbar – einfach wunderbar.«
Poirot kam unauffällig zu seinem Sessel zurück und fragte: »Sie kennen sie schon seit vielen Jahren?«
»Ja, das tue ich. Ich war auf ihrem ersten Ball dabei. Keine konnte ihr auch nur das Wasser reichen!«
Seine Stimme war voller Begeisterung. Poirot hielt ihm den Bleistift hin.
»Ich glaube, das gehört Ihnen?«
»Wie? Was? Oh, vielen Dank. Heute Nachmittag, als wir Bridge spielten, hatte ich ihn noch.«
»Soweit ich orientiert bin, spielten Sie vor dem Tee Bridge?«, sagte Poirot. »In welcher Geistesverfassung befand sich Sir Gervase, als er zum Tee erschien?«
»Wie üblich – genau wie immer. Nicht im Traum hätte ich daran gedacht, dass er die Absicht hatte, Schluss zu machen. Vielleicht war er ein bisschen nervöser als sonst – wenn ich es mir recht überlege.«
»Wann haben Sie ihn
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