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Paradies

Paradies

Titel: Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liza Marklund
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auszog und sich räusperte. Als er in die Küche trat, hatte sein Gesicht etwas Farbe bekommen.
    »Interessantes Toilettenarrangement«, meinte er. »Wie lange wohnst du jetzt schon hier?«
    »Gut zwei Jahre. Möchtest du eine Serviette?«
    Er setzte sich an den Tisch.
    »Danke, gern«, erwiderte er.
    Sie reichte ihm eine ostergelbe Papierserviette. Er faltete sie auseinander und legte sie sich auf den Schoß, das schien für ihn die natürlichste Sache der Welt zu sein. Sie selbst ließ ihre zusammengefaltet neben dem Teller liegen.
    »Leckere Nudeln«, sagte er.
    »Ach komm, vergiss es«, sagte sie.
    Sie aßen schweigend und hungrig, warfen sich ab und zu verstohlen Blicke zu, lächelten. Ihre Knie stießen unter dem kleinen Küchentisch gegeneinander.
    »Ich werde spülen«, sagte er.
    »Es gibt kein warmes Wasser«, wandte Annika ein. »Ich erledige das später.«
    Sie überließen das dreckige Geschirr seinem Schicksal und gingen wieder ins Wohnzimmer zurück. Eine neue Art von Stille entstand jetzt zwischen ihnen, ein Kribbeln in ihrem Unterleib. Sie blieben zu beiden Seiten des Couchtisches stehen.
    »Und du?«, fragte er. »Bist du nie verheiratet gewesen?«
    Sie ließ sich wieder auf die Couch fallen.
    »Verlobt«, sagte sie.
    Er setzte sich neben sie, die Lücke zwischen ihnen war elektrisch geladen.
    »Warum hat es nicht gehalten?«, fragte er interessiert und freundlich.
    Sie holte tief Luft und versuchte zu lächeln. Seine Frage war so gewöhnlich, so normal. Warum hat es nicht gehalten? Sie suchte nach Worten.
    »Weil…«
    Sie räusperte sich, fingerte an der Tischkante herum, wie findet man die normale Antwort auf eine normale Frage?
    »War es so schlimm? Hat er dich verlassen?«
    Seine Stimme war so freundlich, so mitfühlend, dass etwas in ihr zerbrach, kaputtging, und sie begann zu weinen, kauerte sich zusammen, schlug die Hände vor ihr Gesic ht, konnte sich nicht beherrschen. Sie spürte seine Verblüffung, Unsicherheit, Ratlosigkeit und konnte nichts dagegen tun.
    Jetzt geht er, dachte sie, jetzt verschwindet er für immer, auch gut.
    »Aber«, sagte er, »was ist denn los?«
    »Entschuldige«, weinte sie, »entschuldige, ich wollte dich nicht…«
    Er klopfte ihr vorsichtig auf den Rücken und streichelte ihr ein wenig über die Haare.
    »Aber, Annika, was ist denn passiert? Erzähl!«
    Sie versuchte, sich zu beruhigen, zu atmen, und ließ den Rotz auf ihre Knie tropfen.
    »Ich kann nicht«, sagte sie. »Es geht nicht.«
    Er fasste sie bei den Schultern, drehte sie zu sich, aber sie wandte instinktiv ihr tränenverquollenes Gesicht ab.
    »Ich bin so hässlich«, murmelte sie.
    »Was ist mit deinem Verlobten passiert?«
    Sie weigerte sich aufzublicken.
    »Ich kann es nicht erzählen«, sagte sie. »Du würdest mich hassen.«
    »Dich hassen? Aber warum denn?«
    Sie sah zu ihm auf, spürte, dass ihre Nase rot war und die Wimpern verklebt. Sein Gesicht war beunruhigt, bekümmert, die Augen blitzend blau. Es war ihm nicht egal. Er wollte es wirklich wissen. Sie sah wieder nach unten, atmete schnell durch den Mund, zögerte, zögerte, nahm Anlauf.
    »Ich habe ihn umgebracht«, flüsterte sie in Richtung Fußboden.
    Die Stille wurde tief und bedrückend, und sie spürte, wie er neben ihr erstarrte.
    »Warum?«, fragte er leise.
    »Er hat mich misshandelt, mich beinah erwürgt. Ich musste ihn verlassen, sonst wäre ich gestorben. Als ich Schluss machte, schlitzte er meine Katze mit einem Messer auf. Mich wollte er auch umbringen. Ich habe ihm einen solchen Schlag versetzt, dass er in einen alten Hochofen gefallen ist…«
    Sie starrte intensiv den Fußboden an und fühlte den Abstand zwischen ihnen.
    »Und er ist gestorben?«
    Seine Stimme war jetzt verändert, erstickt.
    Sie nickte, und die Tränen schossen ihr wieder in die Augen.
    »Wenn du dir nur vorstellen könntest, wie furchtbar das gewesen ist. Wenn es etwas gäbe, das ich in meinem Leben verändern könnte, dann wäre es dieser Tag, dieser Schlag.«
    »Gab es einen Prozess?«
    Klang er abwesend? Distanziert?
    Sie nickte wieder.
    »Totschlag. Ich bekam eine Bewährungsstrafe. Ich musste ein Jahr lang eine Therapie machen, weil mein Bewährungshelfer der Meinung war, dass ich eine brauchte, aber es hat nicht viel gebracht.
    Der Therapeut war ziemlich merkwürdig. Seit dieser Zeit geht es mir nicht besonders gut.«
    Sie verstummte, schloss die Augen und wartete darauf, dass er aufstehen und gehen würde. Was er auch tat. Sie verbarg ihr Gesicht

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