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Paradies

Paradies

Titel: Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liza Marklund
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Hand wieder heraus. Annika hörte ein schmatzendes Geräusch und schämte sich.
    »So. Dann können Sie sich jetzt anziehen. Kommen Sie bitte anschließend in mein Büro.«
    Die Ärztin warf die Handschuhe in einen Mülleimer und ging schnell in das angrenzende Zimmer. Annika versuchte verwirrt, die Knie aus ihrer Position oberhalb der Ohren herunterzubekommen. Man war so ausgeliefert, es war ekelhaft. Irgendwas klebte zwischen ihren Beinen, aber sie traute sich nicht, nach etwas zu fragen, mit dem sie es wegwischen konnte. Schnell zog sie Unterhose und Jeans an. Der ganze untere Teil des Bauchs fühlte sich klebrig an. Sie folgte der Krankenschwester in den Nebenraum.
    »Sie sind in der siebten Woche schwanger«, sagte die Ärztin. »Sie möchten einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen lassen?«
    Annika nickte, räusperte sich, setzte sich.
    »Sie haben das Recht auf eine Schwangerschaftsberatung, wünschen Sie eine solche Beratung?«
    Sie schüttelte den Kopf. Ihre Hände kamen ihr auf einmal zu groß vor, sie verbarg sie zwischen den Oberschenkeln.
    »Also gut. Sie können einen Termin am Freitag, den 7. Dezember, haben. Ginge das bei Ihnen?«
    Nein, dachte sie, jetzt. Jetzt! Bis Freitag sind es noch drei Tage, das geht nicht, das halte ich nicht durch, ich kann das Kind nicht noch drei Tage in mir haben, ich will nicht die Schwere fühlen, die Übelkeit, die spannenden Brüste, das pochende Leben.
    »Sollen wir den siebten nehmen?«, wiederholte die Ärztin und sah sie über den Rand ihrer Brille hinweg an.
    Annika nickte.
    »Sie müssen um sieben Uhr morgens hier sein. Ab Mitternacht müssen Sie nüchtern bleiben, weil Sie eine Kurznarkose bekommen werden. Zunächst wird ein Stift in den Gebärmuttermund eingeführt, der ihn öffnet, anschließend werden wir Sie betäuben.
    Als Nächstes werden wir die so genannte Absaugmethode anwenden. Dabei wird der Gebärmutterhals erweitert und der Inhalt der Gebärmutter abgesaugt. Das dauert etwa eine Viertelstunde, und Sie können nachmittags wieder nach Hause gehen. Auf Grund des Infektionsrisikos dürfen Sie zwei Wochen nach dem Eingriff keinen Geschlechtsverkehr haben. Haben Sie noch Fragen?«
    Eine Viertelstunde, der Inhalt wird abgesaugt.
    Nein, keine Fragen.
    »Schön, dann sehen wir uns am Freitag.«
    Danach stand sie in dem langen grauen Korridor, wo sie mit einer jungen Frau zusammenstieß, die in das Behandlungszimmer wollte, und sie vermieden es, sich anzuschauen. Sie hörte die Ärztin grüßen. Das Schwindelgefühl kehrte zurück, die Übelkeit, die Schmerzen im Rücken, sie musste raus.
    Der Bus der Linie 48 schwankte und schaukelte, und Annika hätte sich beinahe auf den Boden übergeben. Am Kungsholmstorg stolperte sie ins Freie und verschwand schnell in der Toreinfahrt von Nummer 32. Anschließend stand sie auf dem Innenhof und kämpfte gegen die Übelkeit an, ehe sie sich die Treppen des Hinterhauses hochschleppte.
    Die eingekauften Lebensmittel standen immer noch hinter der Wohnungstür, aber sie hatte nicht die Kraft, sich darum zu kümmern. Stattdessen sank sie auf der Couch zusammen und starrte vor sich hin.
    Eine kleine Blase, ein kleiner weißer Ring.
    Sie wusste, dass es ein Junge war, ein kleiner blonder Junge wie Thomas. Sie schloss die Augen, weinte und riss die Seite mit den Comics aus der Zeitung und schnauzte sich damit. Noch einmal schlug sie die Artikel über die Stiftung auf und überflog den Text auf der letzten Doppelseite. Der Polizei zufolge stand Rebecka Björkstig unter dem Verdacht der Anstiftung zum Mord. Sie habe einer Klientin namens Aida Begovic gedroht, die am darauf folgenden Tag auf dem Sergels Torg ermordet worden sei. Die Frau werde heute um vierzehn Uhr beerdigt.
    Sie ließ die Zeitung fallen, es schrie in ihrem Körper. Sie beugte sich vor, der Bauch schmerzte, der Ring schwamm, das Herzklopfen wurde stärker, sie schaukelte und schaukelte. In ihrem Inneren hörte sie Berits Stimme von gestern,
sie hatte keine Verwandten, und es hat auch niemand nach ihrer Leiche gefragt, es wird eine kurze Trauerfeier auf dem Nordfriedhofgeben…
    Niemand darf so von allen verlassen sein, dachte Annika. Jeder Mensch hat es verdient, dass jemand von ihm Abschied nimmt.
    Sie ließ sich gegen die Rückenlehne der Couch fallen.
    Drei weitere Tage mit dem Kind in ihrem Bauch.
    Sie sah auf die Uhr.
    Wenn sie jetzt losfuhr, würde sie es noch rechtzeitig zu Aidas Beerdigung schaffen.
    Es saßen Menschen in der Kapelle.
    Annika blieb,

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