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Paradies

Paradies

Titel: Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liza Marklund
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den die KOS verloren hat. Die altgedienten Militärs sind deswegen unglaublich verbittert.«
    »RDB?«, fragte Annika verwirrt.
    »Slobodans Jungs, der Geheimdienst beim Innenministerium der Republik Serbien, die Elite der Elite. Diese Leute kontrollieren in Serbien sowohl die kriminelle Szene als auch die Polizei, das sind ganz harte Burschen.«
    Annika brauchte ein paar Sekunden, um diese Informationen zu verdauen.
    »Entschuldigung«, sagte sie dann, »aber wo zum Teufel haben Sie gearbeitet, ehe Sie zum Dezernat für Gewaltdelikte versetzt worden sind?«
    »That’s classified«, antwortete er, und sie konnte regelrecht hören, dass er grinste.
    »Wo wohnt ein KOS-Oberst, wenn er sich wegen der Jas-Testflüge in Stockholm aufhält?«
    »Wenn er die RDB-Männer in der Botschaft mag, wohnt er dort.
    Wenn nicht, hält er sich in einem der großen Hotels in der Innenstadt auf.«
    »Wie zum Beispiel…?«
    »Ich würde es als Erstes mit dem Royal Viking versuchen.«
    »I love you forever«, sagte Annika.
    »Verschonen Sie mich«, entgegnete er und legte auf.
    Oberst Misic wohnte im Sergel Plaza. Annika stand minutenlang mit klopfendem Herzen vor seiner Zimmertür, die Hand zum Anklopfen erhoben. Schließlich trafen ihre Knöchel das Holz. Sie hörte ein fragendes »Da?« hinter der Tür und klopfte noch einmal.
    Die Tür wurde einen Spalt weit geöffnet.
    »Da?«
    Im Türspalt erkannte sie das alte, unrasierte Gesicht, eine behaarte Schulter, ein Unterhemd.
    »Oberst Misic? Ich heiße Annika Bengtzon. Ich würde gern mit Ihnen sprechen.«
    Sie versuchte ein Lächeln.
    Der Mann sah sie an, aber sein Gesicht lag im Schatten, sodass sie seinen Gesichtsaudruck nicht erkennen konnte.
    »Warum?«, fragte er mit belegter Stimme.
    »Ich kannte Aida«, antwortete sie mit zu heller, nervöser Stimme.
    Er antwortete nicht, schloss aber auch nicht die Tür.
    »Ich habe Sie auf der Beerdigung gesehen«, fuhr sie fort. »Ich habe Sie angesprochen.«
    Der Mann zögerte.
    »Was wollen Sie?«, fragte er.
    »Nur reden«, erwiderte sie schnell. »Ich möchte mit jemandem über Aida reden, der sie früher gekannt hat.«
    Der alte Oberst trat einen Schritt zurück und zog die Tür auf. Er war barfuß, hatte sich schnell eine Hose angezogen, die Hosenträger baumelten in Kniehöhe.
    »Setzen Sie sich«, sagte er. »Ich will mir nur ein Hemd anziehen.«
    Annika betrat das Zimmer, ein kleines Doppelzimmer mit zwei schmalen Betten, Fernsehapparat, Schreibtisch und einem Stuhl mit verchromten Beinen. Die Tür schloss sich hinter ihr, sie hörte sich selber schlucken. Der Mann war im Badezimmer verschwunden, und für einen Moment geriet sie in Panik.
    Und wenn er nun mit einer Maschinenpistole wieder herauskam?
    Oder mit einem Messer?
    Vielleicht hatte er Aida ermordet!
    Ihr Puls raste noch schneller, und sie wollte schon in den Korridor flüchten, als der Mann mit offen stehendem Hemd und einem Paar Strümpfe in der Hand aus dem Badezimmer zurückkehrte.
    »Wie gut haben Sie Aida gekannt?«, fragte er in gebrochenem Englisch.
    Annika schaute zu Boden.
    »Nicht besonders gut«, antwortete sie, blickte auf und begegnete dem trüben Blick des alten Mannes. »Aber ich hätte sie gern näher kennen gelernt.«
    »Sie tragen ihre Kette«, sagte der Mann, »die bosnische Lilie, das Herz steht für Liebe. Ich habe sie Aida geschenkt. Sie hat die Berlocke mit den serbischen Adlern entfernt.«
    Annikas Hand legte sich unwillkürlich an die Halskette, und sie wurde rot.
    Der alte Mann setzte sich auf eines der Betten, legte den Fuß über das andere Bein und zog sich einen Strumpf an.
    »Setzen Sie sich«, sagte er.
    Sie ließ sich mit weichen Knien auf dem gegenüberliegenden Bett nieder und ließ ihre Tasche am Kopfende des Bettes auf den Boden fallen.
    »Weshalb sind Sie hier?«, fragte sie.
    Annika sah den alten Mann an, seine grau gesprenkelten Wangen, seine herabhängenden Schultern, den schweren Körper, das Hemd, das sich nur mit Mühe über dem Bauch zuknöpfen lassen würde, sein schütteres Haar.
    Die Trauer hat ihn gebrochen, erkannte sie. Eine solche Trauer kann Menschen krank werden lassen.
    Würde jemals jemand so um sie trauern?
    Plötzlich begann sie zu weinen. Sie verbarg das Gesicht in den Händen.
    Der Mann blieb stumm sitzen, ohne sich zu rühren.
    »Verzeihung«, flüsterte sie schließlich und wischte die Tränen mit dem Handrücken fort. »Meine Großmutter ist kürzlich gestorben, ich bin in letzter Zeit nicht mehr ich selbst

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